Entscheidungsstichwort (Thema)
Quasi-Berufskrankheit. besondere Gefährdung. neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. Venenerkrankung. Stehbelastung. Friseurmeister
Orientierungssatz
1. Zur Nichtanerkennung einer Venenerkrankung eines Friseurmeisters als Quasi-Berufskrankheit gem § 551 Abs 2 iVm Abs 1 S 3 RVO mangels Vorliegens neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über eine besondere bzw höhere Gefährdung der überwiegend im Stehen arbeitenden Personen gegenüber der übrigen Bevölkerung.
2. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bezieht sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf ihre Verursachung durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit erheblich häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine lange zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Es muss in der Regel die generelle Geeignetheit der Einwirkung auf die Verursachung der Krankheit in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt sein, dh durch die herrschende Auffassung der Fachwissenschaft hinreichend gefestigt sein; vereinzelte Meinungen auch Sachverständiger reichen grundsätzlich nicht aus.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Venenerkrankung des Klägers wie eine Berufskrankheit (BK) anzuerkennen und zu entschädigen ist.
Der Kläger erlernte nach der Schulentlassung den Beruf eines Friseurs. Anschließend war er in diesem Beruf zunächst als Geselle und seit 1970 als selbstständiger Friseurmeister tätig. Im Mai 1998 beantragte er bei der Beklagten, sein Venenleiden als Berufskrankheit zu entschädigen. Er machte geltend, dass er seit etwa zehn Jahren an einer Venenerkrankung mit Thrombosen und offenen Beinen leide und bereits mehrfach operiert worden sei. Die Krankheit werde hauptsächlich durch die Belastung im Beruf, den er seit Anfang des Jahres nicht mehr ausüben könne, hervorgerufen. Der Arzt für Phlebologie Dr. K. in D. vertrat in seinem Bericht vom 16.11.1998 die Auffassung, dass es sich bei dem Venenleiden des Klägers um eine berufsbedingte Erkrankung handele. Eine genetisch determinierte Erkrankung sei nur zum Ausbruch gelangt, weil einer bestimmten Berufstätigkeit nachgegangen worden sei. Bei einer Beschäftigung als Büroangestellter, Verkäufer oder einer anderen gewerblichen Tätigkeit würde sich beim Kläger mit Sicherheit nicht ein derart gravierendes Venenleiden mit Ulcera cruris ausgebildet haben. Die Beklagte holte von Dr. K. einen Befundbericht ein und zog vom Versorgungsamt D. sowie der LVA R. medizinische Unterlagen und von der Signal Krankenversicherung ein Verzeichnis über Vorerkrankungen des Klägers bei. Mit Bescheid vom 08.07.1999 lehnte sie die Anerkennung der Venenerkrankung des Klägers wie eine Berufskrankheit ab, weil keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, wonach eine bestimmte Berufsgruppe in erheblich höherem Maße durch ihre berufliche Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt sei, die geeignet seien, ein Venenleiden zu verursachen. Der Kläger erhob Widerspruch. Er machte geltend, dass der Beruf eines Friseurs grundsätzlich nur im Stehen ausgeübt werden könne und sich zudem als besonders bewegungsarm darstelle. Er habe daher einem erhöhten Risiko unterlegen, eine Venenerkrankung zu erleiden. Der langjährig im Stehen ausgeübte Beruf könne Krampfaderbildungen und deren Folgen nicht nur begünstigen, sondern auch hervorrufen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen seinem Venenleiden und der versicherten Tätigkeit sei nach Meinung seiner behandelnden Ärzte anzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.1999 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2000 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt. Mit Gerichtsbescheid vom 25.05.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 29.05.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29.06.2000 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Seine Venenerkrankung sei durch die stehende Tätigkeit als Friseur hervorgerufen worden. Dass Stehberufe Venenerkrankungen mit sich brächten, sei eine medizinisch gefestigte Erkenntnis. Der Zusammenhang zwischen einer Venenerkrankung und der Ausübung eines Stehberufs werde durch zahlreiche Studien belegt.
Zur Stützung seines Vorbringens hat der Kläger ein Schreiben des Sekretärs der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie Prof. Dr. Z. vom 15.08.2000, ein Schreiben der Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft Venen e. V. Dr. M.-K. vom 10.11.2000 sowie Auszüge aus verschiedenen Veröffentlichungen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.05.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des...