Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlbarmachung von Rente aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Ghetto Schaulen -rentenversicherungspflichtiges Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis. Ghettoarbeit. eigener Willensentschluss. Entgeltlichkeit. Lebensmittelbezug

 

Orientierungssatz

1. Zum Vorliegen von Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto iS von § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2002, 2074) (hier: Beschäftigung im Ghetto Schaulen in der Zeit von August 1941 bis Juli 1944).

2. Soweit dem Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R = SozR 4-5075 § 1 Nr 3 - zu entnehmen sein sollte, dass auch der Erhalt von Lebensmitteln, die kaum den notwendigen Lebensbedarf gedeckt haben, als Entgelt iS des ZRBG ausreicht, folgt der Senat dieser Rechtsprechung nicht.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.06.2006 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Altersrente unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten im Ghetto Schaulen in der Zeit von August 1941 bis Juli 1944 nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) hat.

Die ... 1929 in N Litauen geborene Klägerin lebt seit 1958 als israelische Staatsangehörige in Israel. Mit Bescheid des Regierungspräsidenten K als Entschädigungsbehörde vom 29.03.1967 wurde ihr eine Beihilfe nach dem BEG-Schlussgesetz wegen Freiheitsentziehung in der Zeit von August 1941 bis Juli 1944 gewährt. Aus einem Schreiben der Claims Conference in Frankfurt vom 19.09.1997 geht hervor, dass ein Antrag der Klägerin nach Art. 2 Fund positiv beschieden wurde.

Am 18.10.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Hinweis auf die Vorschriften des ZRBG. In dem von ihr unter dem 03.12.2002 unterschriebenen Rentenantragsvordruck gab sie an, von August 1941 bis Juli 1943 im Ghetto Schaulen am Flughafen und in einer Schuhfabrik tätig gewesen zu sein. Sie habe Volltags gearbeitet und nannte als Arbeitsverdienst Coupons und Entgelt, wieviel sei ihr nicht erinnerlich. Es seien Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden. Die Frage in dem Antragsvordruck nach der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) verneinte sie. In einem ebenfalls unter dem 03.12.2002 unterschriebenen Fragebogen gab sie ergänzend an, die Arbeitsstätte habe im Ghetto Schaulen (Ghetto T-Pstr. 9) gelegen. Die Beschäftigung sei auch außerhalb des Ghettos bei täglicher Rückkehr erfolgt. Als Arbeitsressort nannte sie Flughafen - Schuhfabrik "B" Schaulen. Als Tätigkeiten nannte sie 1. Erde transportieren, 2. Schuhe paarweise verpacken. Die Arbeitsvermittlung sei durch den Judenrat erfolgt. Als Entgelt nannte sie wiederum Coupons und Entgelt, die Höhe sei nicht erinnerlich. In einer von einem israelischen Rechtsanwalt bestätigten eigenen Erklärung vom 03.12.2002 gab sie weiter an, im Sommer 1941, als der Krieg ausgebrochen sei, habe sie sich in der Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium befunden. Wegen des Kriegs habe sie nicht mehr zurück nach Hause gekonnt. Sie habe das Judenzeichen tragen müssen und nachdem das Ghetto errichtet worden sei, sei sie ins Ghetto gekommen. Es sei ihr geraten worden, obwohl sie noch ein junges Mädchen gewesen sei, sich zur Arbeit zu melden beim Judenrat, da es einige Vorteile gäbe. Sie sei dann zum Flughafen eingeteilt worden. Hier sei ein Aufseher aus Litauen gewesen und sie sei zur Gruppe, die mit den Schubkarren Erde auf- und abladen und transportieren mussten, zugeteilt worden, da dort ein Lufthafen gebaut worden sei. Die Arbeit sei schwer gewesen und es sei morgens bis abends gearbeitet worden. Sie seien jeden Morgen aus dem Ghetto zum Flughafen gebracht und am Abend wieder zurück ins Lager geholt worden. Von dort sei sie dann in die Schuhfabrik "B" gekommen, deren Eigentümer F gewesen sei. Hier habe sie die Schuhe in Schachteln einpacken müssen. Auch hier habe sie von früh bis abends gearbeitet und im Ghetto Traku in der Pstr. 9 (Schaulen) gewohnt. Für die Tätigkeit habe sie eine Entgeltung erhalten, aber sie erinnere sich nicht mehr in welcher Höhe von beiden Arbeitsplätzen. Im Sommer 1944 als das Ghetto liquidiert worden sei, sei es ihr gelungen zu flüchten. In einem weiteren von ihr unter dem 08.12.2003 unterschriebenen Fragebogen nannte sie nur noch die Tätigkeit "Schuhe eingepackt" innerhalb des Ghettos Schaulen-Traku. Als Entlohnung nannte sie nunmehr auch zusätzliche Lebensmittel und als Sachbezüge Mittagessen. Zeugen könne sie nicht mehr benennen.

Die Beklagte zog von der Bezirksregierung D - Abteilung Wiedergutmachung - die die Klägerin betreffenden Entschädigungsakten bei und nahm Kopien daraus zu ihren Akten. Im Entschädigungsverfahren hatte die Klägerin in einer von ihr unter dem 05.06.1966 unterschriebenen eidlichen Erklärung u. a. angegeben, sie habe im ...

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