Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Mehrfachkodierung von Nebendiagnosen. keine Kodierung von ICD-10-GM (2015) M96.6
Orientierungssatz
1. Eine Mehrfachkodierung für ein- und dieselbe Erkrankung ist nur in den in DKR (2015) D012i abschließend aufgeführten Fallgruppen statthaft.
2. Eine Doppelklassifikation kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen eines Kodes auch tatsächlich vorliegen. Wie sich aus dem Wortlaut der Gruppenüberschrift ergibt, ist dies bei ICD-10-GM (2015) M96.6 nur dann der Fall, wenn die jeweilige Erkrankung "andernorts nicht klassifiziert" ist.
3. Der maßgebliche Wortlaut von ICD-10-GM (2015) M96.6 lässt eine Kodierung der Ziffer nicht zu, wenn eine intraoperative Absprengung des lateralen Trochantermassivs nicht "nach", sondern "während", "bei" oder "durch" die medizinische Maßnahme erfolgt ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.05.2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren wird auf 2.901,95 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kodierung von Nebendiagnosen im Rahmen der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch zugelassenen Krankenhauses. Im Zeitraum vom 29.06.2015 bis zum 14.07.2015 wurde dort die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte B X (* 00.00.1926, im Folgenden: Versicherte) aufgrund einer Koxarthrose rechts vollstationär behandelt und eine Totalendoprothese in minimalinvasiver Technik implantiert. Intraoperativ trat eine proximale Femurfraktur auf.
Unter dem 16.07.2015 stellte die Klägerin der Beklagten dafür auf Basis der Fallpauschale DRG I08B (andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur, mit komplexem Mehrfacheingriff oder komplexen Diagnosen oder mit bestimmtem Eingriff bei Beckenfraktur mit äußerst schweren CC oder Ersatz des Hüftgelenkes mit best. Eingriff an oberer Extremität und Wirbelsäule) einen Betrag von insgesamt 13.083,77 EUR in Rechnung. Hierbei kodierte sie als Hauptdiagnose nach dem ICD-GM 2015 M16.1 (sonstige primäre Koxarthrose) und als Nebendiagnosen ua S72.3 (Fraktur des Femurschaftes) und M96.6 (Knochenfraktur nach Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte).
Die Beklagte zahlte die Rechnung zunächst vollständig und beauftragte dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) mit der Überprüfung. Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom 12.10.2015 durch Dr. L zu dem Ergebnis, dass anstelle der angesetzten Fallpauschale die DRG I05A (Revision oder Ersatz des Hüftgelenkes ohne komplizierende Diagnose, ohne Arthrodese, ohne komplexen Eingriff, mit äußerst schweren CC) abzurechnen sei, da die Nebendiagnose S72.3 mangels Ressourcenverbrauch gar nicht und anstatt der Diagnose L89.19 (Dekubitus 2. Grades sonstige und nicht bezeichnete Lokalisation) die Diagnose L89.15 (Dekubitus 2. Grades Sitzbein) zu kodieren sei.
Hierauf gestützt forderte die Beklagte von der Klägerin die für die Behandlung der Versicherten geleistete Vergütung in Höhe von 2.901,95 EUR zurück und verrechnete den Betrag am 07.12.2015 mit unstreitigen Forderungen der Klägerin.
Mit der am 28.06.2016 beim Sozialgericht Detmold (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin diesen Betrag nebst Zinsen geltend gemacht und vorgetragen, dass nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) eine möglichst spezifische Kodierung anzustreben sei. Dies habe die Klägerin getan, indem sie mit der kombinierten Kodierung aus einem M-Kode (M96.6) die Ätiologie der Erkrankung und einer Ziffer mit einem S-Kode (S72.3) die Lokalisation der Erkrankung erfasst habe. In dieser Kodierung sehe sie sich durch die Kodierempfehlung Nr 254 der Sozialmedizinischen Expertengruppe "Vergütung und Abrechnung" des MDK (SEG-4) bestätigt. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit der Doppelkodierung auch aus der Novellierung der ICD-10-GM 2016 deutlich werde. Denn in der neuen Version sei klargestellt worden, dass die Schlüsselnummer M96.6 "nur bei einer beim Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte aufgetretenen Fraktur anzugeben" sei. Gleichzeitig enthalte die neue Version der Ziffer S72.- den Hinweis: "Benutze die zusätzliche Schlüsselnummer M96.6, um anzugeben, dass die Fraktur beim Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte aufgetreten ist." In diesen ausdrücklichen Hinweisen sei eine Klarstellung für die Vergangenheit zu sehen. Die für den Eingriff spezifische Kodierung der entsprechenden Nebendiagnose umfasse daher die Kodierung beider ICD-Diagnosen S72.10 und M96.6.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.901,95 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2015 zu zahlen...