Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücküberweisung von Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten. im Soll befindliches Konto. Forderung des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut. Verfügungen mit EC-Card. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Rentenversicherungsträger hat gegenüber dem Geldinstitut einen Anspruch auf Rücküberweisung aus § 118 Abs 3 SGB 6, wenn Rentenzahlungen über den Tod hinaus auf ein durchgehend im Soll befindliches Konto geleistet wurden.

2. Die Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts entfällt auch nicht, weil andere Personen ebenfalls Vermögensvorteile aus dem überwiesenen Rentenbetrag erlangt haben (entgegen BSG vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 = BSGE 83, 176 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4).

3. Eine Barabhebung nach dem Tode des Berechtigten am Geldautomaten mittels EC-Karte unter Verwendung der persönlichen Identifikationsnummer (PIN) berühren nicht die Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts (entgegen SG Leipzig vom 9.5.2006 - S 3 R 1231/05).

4. Es spricht viel dafür, dass § 55 Abs 1 SGB 1 für die nach dem Tod des Leistungsberechtigten weiter gezahlte Rente nach seinem Sinn und Zweck keine Anwendung findet.

5. Die Regelungen in § 118 Abs 3 SGB 6 sind nicht verfassungswidrig.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.06.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von 548,03 EUR.

Diesen Teilbetrag aus einer Dezember-Rentenüberweisung in Höhe von 819,17 EUR nach dem Tod des Versicherten N am 00.11.2001 macht die Klägerin gemäß § 118 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) geltend. Das Girokonto 000 des Versicherten bei der Beklagten wies bei Rentengutschrift am 30.11.2001 ein Soll von 2.263,75 DM auf. Dem Girovertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in der Fassung vom 01.12.2000 zu Grunde (im Folgenden: AGB P.bank). Der Versicherte hatte seiner Tochter I Kontovollmacht erteilt, ihm war ein Dispositionskredit von 3000 DM von der Beklagten eingeräumt worden (vgl. Erklärung im Verhandlungstermin). Wann genau die Aufforderung zur Rückzahlung bei der Beklagten einging, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Klägerin behauptet, sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 7.12.2001 zur Rückzahlung aufgefordert. Die Beklagte behauptet, das entsprechende Schreiben sei vom 11.12.2001 und ihr erst am 21.12.2001 zugegangen.

Beträge aus zwei Abbuchungen per Dauerauftrag und per Lastschrift (am 30.11.2001 352, 70 DM und am 4.12.2001 177,61 DM) erhielt die Klägerin von den jeweiligen Empfängern zurückerstattet. Per persönlicher Geheimzahl (PIN) wurden vom Konto des Versicherten nach seinem Tod an Geldautomaten folgende Abhebungen vorgenommen:

Am 9.12.2001 200 DM

Am 11.12.2001 150 DM

Am 12.12.2001 230 DM

Am 13.12.2001 176 DM

Am 17.12.2001 400 DM

Am 17,.12.2001 500 DM

Am 21,.12.2001 404,89 DM

Am 9.12.2001 wies das Konto des Versicherten ein Soll von 848,59 DM und am 21.12.2001 ein Soll von 2661,84 DM auf.

Die Beklagte hat (zur Durchführung eines Musterverfahrens) auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Inhaltlich wendet sie ein, sie sei gemäß § 118 Abs. 3 SGB VI entreichert. Der daraufhin am 06.01.2005 erhobenen Leistungsklage auf Zahlung von 548,03 EUR (Berechnung: monatlicher Rentenbetrag abzüglich Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und abzüglich der von Dritten zurückerstatteten Beträge) hat das SG mit Urteil vom 6.6.2005 unter Abweisung des Zinsanspruchs stattgegeben und sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) abgestellt (BSG Urteile vom 09.02.2002 - B 4 RA 64/01 R - ; vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R -). Danach sei es der Beklagten verwehrt, sich nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI auf den Einwand der Entreicherung zu berufen. Bei dem durchgehend im Soll befindlichem Konto seien die von der Beklagten ausgeführten Verfügungen im Rahmen des eingeräumten Überziehungskredites ausgeführt worden. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das am 10.06.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.07.2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die von einem Teil der Rechtsprechung statuierte Haftung der Geldinstitute finde weder in den Gesetzesmaterialien noch in dem Sinn und Zweck des ab 1992 geltenden § 118 SGB VI eine Stütze. Die Regelung habe lediglich die bis dahin bestehende freiwillige Vereinbarung zwischen den Verbänden der Rentenversicherungsträger und der Kreditwirtschaft auf eine rechtsstaatliche Grundlage stellen sollen. Bei der Risikoabwägung, ob der Bank für nachträgliche Verfügungen zugunsten Dritter einzustehen habe, sei zu beachten, dass das Geldinstitut durch § 55 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) i.V.m. § 394 BGB verwehrt sei, Verfügungen über die Rentenleistung erst dann zuzulassen, wenn feststehe, dass diese nicht unter dem Vorbehalt des § 118 Abs. 3 S...

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