Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem im Betrieb des Alleininhabers tätigen Ehegatten
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist zunächst die vertragliche Ausgestaltung der Arbeitstätigkeit maßgeblich. Ist eine solche vertragliche Gestaltung vorgenommen worden, so ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Verhältnisse hiervon nicht rechtserheblich abweichen und deshalb bei der Beurteilung der Versicherungspflicht diese vertragliche Gestaltung auch rechtlich maßgeblich sein soll.
2. Dem Typus einer abhängigen Beschäftigung entspricht die Vereinbarung eines festen Arbeitsentgelts anstelle einer Beteiligung am Gewinn des Unternehmens, die Unterwerfung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Einbindung in die Arbeitsorganisation. Einer Eingliederung in den Betrieb bei einem Ehegatten steht nicht entgegen, wenn der Eingegliederte in Ausnahmefällen allein und weisungsunabhängig Entscheidungen trifft und ein gleichberechtigtes Nebeneinander zwischen beiden Ehegatten besteht.
3. Macht der Ehegatte als Alleininhaber des Betriebs von seinem Weisungsrecht tatsächlich keinen Gebrauch, so ist dies solange rechtlich unbeachtlich, als diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.
4. Bürgschaftsübernahmen, die Bewilligung von Grundschulden sowie die Leistung von Privateinlagen des am Kapital des Unternehmens nicht beteiligten Ehegatten stellen eine für einen Arbeitnehmer nicht typische Übernahme von Risiken dar. Ein solches bloßes Haftungsrisiko wird zu einem echten Unternehmerrisiko aber erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Entgelt aus Arbeit erzielt wird, sondern Kosten für Investitionen oder Beschäftigte anfallen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) streitig, ob die Klägerin seit dem 01.03.2003 bis zum 03.05.2010 in dem Dentallabor des Beigeladenen zu 4., ihres Ehemannes, versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Ab dem Folgetag hat die Beklagte im Hinblick auf die Gründung einer GmbH mit je hälftigem Gesellschaftsanteil der Klägerin und ihres Ehemannes das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit anerkannt.
Die am 00.00.1974 geborene Klägerin hat den Beruf der Zahntechnikerin erlernt; die Gesellenprüfung hat sie im Januar 1997 abgelegt. Bis Ende Oktober 2002 war sie bei verschiedenen Arbeitgebern in diesem Beruf tätig, anschließend arbeitslos gemeldet. Der Beigeladene zu 4., geb. am 07.06.1967, ist Zahntechnikermeister.
Im Mai 2001 gründete dieser, der bis dahin ebenfalls anderweitig abhängig beschäftigt gewesen war, das "Dental Labor L X" als Einzelfirma. Zu deren Finanzierung schloss der Beigeladene zu 4. Darlehensverträge ab, u. a. mit der D-Bank als Hausbank einen Darlehensvertrag im Mai 2001 über 55.000 DM. Ein weiterer Kredit über 163.000 DM wurde als Refinanzierungskredit von der Deutschen B-Bank am 09./14.05.2001 gewährt. Die Klägerin räumte der D-Bank bzgl. beider Verbindlichkeiten eine selbstschuldnerische Höchstbetrags-Bürgschaft über 50.000 DM ein. Zur weiteren Absicherung schloss der Beigeladene zu 4. ebenfalls im Mai 2001 eine Risikolebensversicherung bei der W über 59.000 EUR ab, die er an die D-Bank abtrat. 2006 verlagerte das Dental Labor X seinen Standort von F1 in neue Geschäftsräume in F. In diesem Zusammenhang schloss der Beigeladene zu 4. im Juli 2006 einen weiteren Darlehensvertrag, den sog. "D-Bank-Gewerbekredit" vom 21.07.2006, über 40.000 EUR ab. Zur Sicherung dieses Kredits übernahm die Klägerin eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über nunmehr insgesamt 86.900 EUR. Bezüglich der von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 4. zunächst selbstgenutzten Eigentumswohnung in der B Straße in F wurden zudem Grundschulden in Höhe von ursprünglich 84.000 DM und 80.000 DM sowie eine weitere Grundschuld in Höhe von 18.000 EUR in das Grundbuch getragen. Die weitere Sicherung des Darlehns erfolgte über eine Sicherungsübereignung der Praxiseinrichtung.
Mit "Arbeitsvertrag für Arbeiter" vom 25.02.2003 nahm die Klägerin zum 01.03.2003 bei dem Dental Labor X eine vollschichtige Tätigkeit "in einem gewerblichen Beschäftigungsverhältnis als Zahntechnikerin" auf. Sie hatte zuvor in der Firma bereits neben ihrer bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit und an den Wochenenden bzw. während der Arbeitslosigkeit unentgeltlich Arbeiten ausgeführt. Nach dem Arbeitsvertrag wurde für die Klägerin ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.000 EUR monatlich vereinbart. Ein Firmenfahrzeug wurde ihr gestellt, das auch der privaten Nutzung diente. Nach dem Arbeitsvertrag stand der Klägerin weiter ein kalendertäglicher Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen/Kalendertagen zu. Die Zahlungen von Gratifikationen, Prämien und sonstigen Leistungen lag im freien Erm...