Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen gegenüber den Bewohnern einer vollstationären Pflegeeinrichtung - Höhe der Fremd- und Eigenkapitalzinsen

 

Orientierungssatz

1. Mit § 82 Abs. 3 SGB 11 hat der Gesetzgeber in § 9 S. 1 SGB 11 die Verantwortung für die Vorhaltung einer zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur den Ländern übertragen und sie mit Satz 2 berechtigt, zu bestimmen, ob und in welchem Umfang eine finanzielle Unterstützung der Pflegeeinrichtungen bei der Tragung ihrer betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen erfolgt.

2. Betriebsnotwendig sind solche Investitionen in die Pflegeinfrastruktur, die für die Aufrechterhaltung des Pflegebetriebs unter Berücksichtigung der Grundsätze wirtschaftlicher Betriebsführung als sachlich erforderlich oder der Höhe nach angemessen sind.

3. Soweit die Finanzierung der Pflegeeinrichtungen bundesgesetzlich abschließend festgelegt ist, bleibt im Rahmen der landesrechtlichen Befugnis zur näheren Ausgestaltung der Umlage nach § 82 Abs. 3 HS. 2 SGB 11 insbesondere im Hinblick auf Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen kein Raum für abweichende Regelungen (BSG Urteil vom 8. 9. 2011, B 2 P 3/11 R).

4. Den für die Eigenkapitalverzinsung anzuwendenden Zinssatz hat der Bundesgesetzgeber in § 82 SGB 11 nicht festgelegt.

5. Für die Eigenkapitalverzinsung kann in zulässiger Weise auf den EZB-Basiszins zurückgegriffen werden. Diese Regelung ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.12.2020; Aktenzeichen B 3 P 11/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.1.2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird endgültig auf 6.335, 23 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber den Bewohnern einer vollstationären Pflegeeinrichtung für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2013. Streitig ist dabei (noch) in welcher Höhe die Fremd- und Eigenkapitalzinsen anzuerkennen sind.

Die Klägerin ist Trägerin und Eigentümerin von Pflegeheimen in verschiedenen Bundesländern. In Sachsen-Anhalt betreibt sie seit den 1990-iger Jahren 8 Einrichtungen, von denen 6 gefördert wurden. Eine der geförderten Einrichtungen ist das vollstationäre Pflegeheim "Seniorenzentrum am L" (fortan: SaL) in Bad M, Landkreis N in Sachsen-Anhalt mit 40 Plätzen.

Die Beteiligten streiten mindestens seit 2003 in zahlreichen Verfahren (auf Grund zahlreicher Sitzverlegungen der Klägerin) vor unterschiedlichen Sozialgerichten darüber, in welcher Höhe die Beklagte nicht gedeckten betriebsnotwendigen Investitionskosten zuzustimmen hat. Die seitens der Klägerin gegen die Urteile des BSG vom 8.9.2011 (B 3 P 3/11 R und 4/10 R) eingelegten Verfassungsbeschwerden nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an (Beschlüsse vom 13.7.2016 - 1 BvR 618/12 und 619/12).

In einem ebenfalls das SaL betreffenden Streit der Beteiligten um die Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionskosten für die Jahre 2006 bis 2012 schlossen die Beteiligten vor dem SG Stuttgart (S 19 P 9427/07) am 26.3.2013 einen Vergleich. Darin einigten sie sich unter Zif. 1 des Vergleichs für die Jahre 2006 - 2012 hinsichtlich der Investitionsaufwendungen auf einen pflegetäglichen Zustimmungsbetrag von 6,91 EUR. Im Erörterungstermin vor dem SG Dortmund vom 30.10.2018 erklärten die Beteiligten übereinstimmend, in dem Vergleich seien die Zinsen für das Jahr 2012 zu Grund gelegt worden. Auf einem in der Akte der Klägerin befindlichen Vermerk des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn X über den Termin steht "Zinsen Ø 2006 -2012" und "Antrag 2013 -) Zinsen f. 2013 berücksichtigen". Für das Jahr 2013 wurde in dem Vergleich weiter vereinbart, dass die Beklagte entsprechend eines in der Sitzung gestellten Antrags rückwirkend zum 1.1.2013 eine neue Entscheidung trifft.

Das SaL wurde ab 2002 errichtet und 2005 in Betrieb genommen. Mit Zuwendungsbescheid vom 15.11.2002 bewilligte die Beklagte einen nicht rückzahlbaren Zuschuss i.H.v. 2.426.000 EUR (etwa 80 % der Finanzierungskosten). Zur Vermeidung einer sofortigen Darlehnsverbindlichkeit wurden die Errichtungskosten zunächst über ein (zeitverzögert auszugleichendes) Baukonto abgewickelt. Als die endgültigen Baukosten seitens des Architekten beziffert werden konnten, schloss die Klägerin zur Finanzierung der restlichen Kosten zwei Annuitäten-Darlehnsverträge mit anfänglichem Festzins bei der Sparkasse zu folgenden Konditionen ab:

Darlehnsvertrag xx vom 30.04.2004: Darlehnsnennbetrag: 433.000 EUR Auszahlung am 1.1.2006 i.H.v. 425.079,47 EUR Festzins bis zum 30.01.2014: 5,25% p.a. Fälligkeit der ersten Zinszahlung: an dem auf die erste Auszahlung folgenden Zahlungstermin Tilgungssatz: 2,89 % Fälligkeit der ersten Tilgungsrate:...

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