Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Jude in Rumänien
Orientierungssatz
Zur Frage der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis; hier insbesondere, ob die deutsche Sprache mündlich im familiären und persönlichen Lebensbereich überwiegend verwendet wurde.
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 5; FRG §§ 15, 4 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Urteil vom 26.08.1997; Aktenzeichen S 11 J 414/95) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.1997 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Altersruhegeld unter Anerkennung von in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten. Streitig ist insoweit lediglich noch die frühere Zugehörigkeit des Klägers zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK).
Der 1925 in B, bei M, (Rumänien) geborene Kläger ist jüdischer Abstammung und anerkannter Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Bis zum Jahre 1944 lebte er in seinem Geburtsort. Dort besuchte er von 1932 bis 1938 oder 1939 die Volksschule. Vom X. 1944 bis zum X. 1945 war er nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Für diese Zeit hat er wegen eines Freiheitsschadens eine Entschädigung erhalten. Im Dezember 1946 wanderte er nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 07.06.1990 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersruhegeld. Er gab unter Vorlage schriftlicher Erklärungen der Zeugen X. und X. an, von X. 1940 bis X. 1944 als Sägereiarbeiter in der staatlichen Holzsägerei in X., Rumänien, versicherungspflichtig gearbeitet zu haben. In dem Fragebogen zur Zugehörigkeit zum dSK erklärte der Kläger, bis zur Auswanderung Deutsch und Rumänisch in Wort und Schrift beherrscht zu haben. Die Frage, ob er im Herkunftsland die jiddische Sprache gesprochen habe, verneinte er. Im persönlichen Lebensbereich (in der Familie) habe er immer überwiegend die deutsche Sprache verwendet. Außerhalb der Familie sei ab 1933 überwiegend die rumänische Sprache gebraucht worden. Seine Eltern hätten im persönlichen Lebensbereich ebenfalls überwiegend Deutsch gesprochen. Darüber hinaus hätten sie die rumänische und ungarische Sprache beherrscht. Auf der Rückseite des von dem Kläger ausgefüllten Fragebogens befindet sich ein handschriftlicher Lebenslauf in deutscher Sprache.
Die Beklagte zog daraufhin vom Amt für Wiedergutmachung in Saarburg die über den Kläger und die Zeugin X. geführten Entschädigungsakten bei.
Ferner veranlasste sie eine Sprachprüfung des Klägers, die am 01.09.1992 beim Israelischen Finanzministerium in Tel Aviv durchgeführt wurde. Dort gab der Kläger an, er habe bis zum Beginn der Verfolgung bzw. bis zur Auswanderung mit Familienangehörigen und Bekannten Deutsch, daneben Rumänisch gesprochen. Unterrichtssprache in der Volksschule, die er von 1932 bis 1938 besucht habe, sei Rumänisch gewesen. In seinem abschließenden Bericht führte der Sprachprüfer aus, der Kläger spreche Deutsch fließend und ungezwungen und lese Deutsch mit vollem Verständnis. Allerdings beherrsche er die deutsche Schriftsprache nicht. Der Kläger sei in einer kinderreichen armen Familie aufgewachsen. Bücher seien selten gekauft worden. Er und seine Geschwister hätten lediglich die Volksschule besucht und schon im frühen Alter zum Erhalt der Familie beitragen müssen. Zusammenfassend kam der Sprachprüfer zu dem Ergebnis, dass der Kläger bis zur Verfolgung dem dSK überwiegend angehört habe.
Die Zeugen X. und X. erklärten auf Anfrage schriftlich, dass im Elternhaus des Klägers Deutsch als Muttersprache gesprochen worden sei. Der Zeuge X. erklärte darüber hinaus, der Kläger habe im persönlichen Lebensbereich überwiegend Deutsch gesprochen. Die Zeugin X. erklärte, mit dem Kläger nur Deutsch gesprochen zu haben.
Das Israelische Finanzministerium teilte unter dem 23.04.1995 mit, der Kläger habe im Rahmen des 1960 angestrengten Verfahrens auf Bewilligung einer Rente nach dem israelischen Gesetz für Invaliden der NS-Verfolgung die hebräische und jiddische Sprache als Muttersprache angegeben.
Mit Bescheid vom 04.08.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Altersruhegeld mit der Begründung ab, dass der Kläger keine in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Zeiten zurückgelegt habe. Die behaupteten Beitragszeiten seien nicht auf die Wartezeit anzurechnen, weil der Kläger unter Berücksichtigung seiner Angaben beim Amt für Invalidenrehabilitation sowie der Tatsache, dass er die deutsche Schriftsprache nicht beherrsche, nicht glaubhaft gemacht habe, in dem nach § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) bzw. § 17a Fremdrentengesetz (FRG) maßgeblichen Zeitpunkt dem dSK angehört zu haben.
Zur Begründung seines gegen diesen Bescheid fristgerecht eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, dass das Nichtbeherrschen d...