Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe. Witwenrente. Motiv für die Eheschließung. Lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten. Langjähriges eheähnliches Zusammenleben. Testament. Finanzielle Verhältnisse des Hinterbliebenen
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Gewährung von Witwenrente ist nach § 46 Abs. 2 a SGB 6 ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Eine wichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu.
2. Die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe kann nur im Vollbeweis widerlegt werden. Insoweit ist der Nachweis erforderlich, dass besondere Umstände i. S. des § 46 Abs. 2 a SGB 6 vorgelegen haben, welche die Annahme rechtfertigen, dass von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe der Eheschließung bei mindestens einem Ehepartner gleichwertig neben den Versorgungszweck getreten sind. Als ein die Annahme einer Versorgungsehe bestätigender äußerer Umstand ist anzusehen, wenn der verstorbene Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat, für die es keine Aussicht auf Heilung mehr gab.
3. Im Fall der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2 a SGB 6 regelmäßig nicht erfüllt. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt zugleich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher besonderer Umstände, die vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisen sind.
Normenkette
SGB VI § 46 Abs. 2a; ZPO § 292
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Notwendige außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres am 00.04.2008 verstorbenen Ehemannes (nachfolgend: Versicherter).
Die am 00.00.1940 geborene Klägerin und der am 00.00.1946 geborene Versicherte lernten sich im Juni 1990 kennen und lebten ab dem Jahr 1992 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Nachdem im März 2008 nach einer Röntgenuntersuchung der Lunge des Versicherten ein auffälliger Befund festgestellt wurde, erfolgte vom 14.3.2008 bis zum 20.3.2008 (Gründonnerstag) dessen stationäre Aufnahme im St. N-Krankenhaus T gem GmbH (nachfolgend: St. N-Krankenhaus) in der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie zur weiteren diagnostischen Abklärung der Verdachtsdiagnose eines Bronchialkarzinoms mit Hirnmetastasen. Es fanden sich ein ca. 7 cm großer Tumor in der rechten Lunge am unteren Hiluspol, auf der Gegenseite sowie multiple Metastasen bis 2,5 x 3 cm groß im Gehirn.
Am 26.3.2008 sprachen der Versicherte und die Klägerin persönlich im Standesamt der Stadt I vor und meldeten die am 11.4.2008 beabsichtigte Eheschließung an, die zunächst im St. N-Krankenhaus stattfinden sollte.
In der Zeit vom 28.3.2008 bis zum 10.4.2008 unterzog sich der Versicherte sodann im St. N-Krankenhaus (Klinik und MVZ für Radio-Onkologie und Strahlentherapie) einer Strahlentherapie des Hirnschädels, die vom 31.3.2008 bis zum 10.4.2008 stationär durchgeführt wurde. Der Versicherte wurde daraufhin zur späteren Behandlung in der Klinik für Hämatologie und Internistische Onkologie, namentlich zur Durchführung einer systemischen Chemotherapie, entlassen.
Am 11.4.2008 fand die Eheschließung, auf den am 9.4.2008 telefonisch geäußerten Wunsch der Klägerin im Standesamt in I, statt.
Danach erhielt der Versicherte wiederum im Rahmen einer stationären Aufnahme vom 14.4.2008 bis zum 16.4.2008 eine systemische Chemotherapie. Am 00.04.2008 wurde der Versicherte durch den Notarzt nochmals eingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt war bei ihm eine schwere Zytopenie als Folge der vorausgegangenen Chemotherapie mit einem septischen Krankheitsbild aufgetreten, welche sich nicht mehr beherrschen ließ und am selben Tag zum Tod durch Kreislaufversagen bei septischem Schock führte.
Am 14.5.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Versicherten. Sie verwies bei Antragstellung darauf, dass es sich nicht um eine Versorgungsehe, sondern um eine Liebesheirat gehandelt habe. Man habe vor der Eheschließung bereits seit 16 Jahren zusammengelebt.
Die Beklagte zog daraufhin zunächst ein ärztliches Gutachten des Arztes für Innere Medizin und Arbeitsmedizin L vom 30.1.2008 bei, das im Rahmen eines Antrags des Versicherten auf medizinische Rehabilitation durch sie in Auftrag gegeben worden war und in dem bei dem Versicherten eine Typ 2-Diabetes, Übergewicht (BMI 39, Adipo...