Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgen einer rechtswirksamen Beitragserstattung
Orientierungssatz
1. Durch eine Beitragserstattung wird das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst. Nach § 210 Abs. 6 s. 2 und 3 SGB 6 bestehen Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr. Eine Erstattung kann nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Versicherten nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war.
2. Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass ein Erstattungsantrag, ein wirksamer Erstattungsbescheid und eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung vorliegen.
3. Ein durch nachweislich bekannt gegebenen bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass die geschuldete Leistung bewirkt worden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 1.6.2016 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist (Regel-)Altersrente.
Der (am 00.00. ?) 1942 in Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko.
Von 1970 bis 1984 war er - mit Unterbrechungen - in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, vom 5.5.1970 bis 15.11.1971 im Bergbau, ab dem 1.1.1973 als Arbeiter außerhalb des Bergbaus, zuletzt vom 17.7.1973 bis zum 31.5.1984 bei der S AG I in I. Er entrichtete Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, zuletzt zur (damaligen) Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen (seit 2005 und fortan im Text: DRV Westfalen).
Am 14.6.1984 beantragte der Kläger bei der DRV Westfalen die Erstattung der von ihm zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge und schaltete zur Abwicklung die J GmbH in E ein, der er - notariell beglaubigte - Vollmachten erteilte. Am gleichen Tag schloss er mit der Teilzahlungsbank T (W GmbH & Co KG) zur Vorfinanzierung seines Erstattungsanspruchs einen Darlehensvertrag über 28.115 DM, trat den Erstattungsanspruch zur Sicherung des Darlehens in dieser Höhe unwiderruflich an die Teilzahlungsbank T ab und zeigte die Abtretung der DRV Westfalen an. Die Teilzahlungsbank T zog von der Darlehenssumme Darlehnszinsen sowie Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühren der J GmbH in Höhe von zusammen 4.214 DM ("effektiver Jahreszins: 22,5%") ab und zahlte das Restdarlehen von 23.901 DM an den Kläger aus. Am 15.6.1984 kehrte der Kläger nach Marokko zurück.
Die DRV Westfalen erstattete dem Kläger (Arbeitnehmer-)Beiträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 5.5.1970 bis zum 31.5.1984 in Höhe von insgesamt 28.161,17 DM (Bescheid vom 22.8.1984 zugestellt am 10.9.1984 an die J GmbH in E). Die Auszahlung des Gesamtbetrages von DM 28.161,17 an die Teilzahlungsbank T ordnete sie am 7.9.1984 an.
Nach den bei der Beklagten gespeicherten Daten sollen bereits 2000 und 2002 (bei der DRV Schwaben gestellte?) Rentenanträge des Klägers erfolglos geblieben sein, weil die Wartezeit nicht erfüllt war. Auch ein weiterer im Dezember 2004 - erstmals bei der Beklagten - gestellter Antrag auf Altersrente blieb erfolglos, weil das Versicherungsverhältnis durch die 1984 erfolgte Beitragserstattung aufgelöst worden sei (Bescheid vom 17.12.2004, Widerspruchsbescheid vom 8.7.2005; Sozialgericht (SG) Dortmund, Gerichtsbescheid vom 11.12.2006, Aktenzeichen (Az) S 24 KN 328/05; Landessozialgericht (LSG) NRW, Urteil vom 29.5.2008, Az L 2 KN 124/07).
Ein weiterer, im April 2012 gestellter Antrag auf Altersrente blieb ebenfalls wegen der 1984 erfolgten Beitragserstattung erfolglos (Bescheid vom 27.4.2012, Widerspruchsbescheid vom 4.9.2012; Gerichtsbescheid des SG Dortmund vom 28.10.2013).
Im Mai 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut erfolglos Regelaltersrente (Bescheid vom 9.6.2015, Widerspruchsbescheid vom 12.10.2015). Er teilte der Beklagten mit, er sei ohne weiteres Einkommen in seine Heimat zurückgekehrt und habe damals entschieden, sich die Beiträge erstatten zu lassen, da dies die einzige Möglichkeit gewesen sei, seine Familie zu unterhalten (Schreiben vom 8.11.2015).
Der Kläger hat am 21.12.2015 unter Beifügung von Nachweisen zu seiner Beschäftigung in der Deutschland Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.10.2015 erhoben und weiter Regelaltersrente begehrt.
Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 12.10.2015 Bezug genommen.
Das SG hat die Klage abgewiesen: Dass eine Beitragserstattung bereits 1984 stattgefunden hat, habe das LSG NRW bereits mit Urteil vom 29.5.2008 bestätigt. Die Beitragserstattung führe zur Auflösung des bis dahin bestehenden Versicherungsverhältnisses. Damit seien weitere Ansprüche - insbesondere auf Rente - aus der Zeit bis zur Erstattung ausgeschlossen (Gerichtsbescheid vom 1.6.2016).
Mit seiner Berufung vom 19.7.2016 wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbrin...