Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Außerachtlassen von Bestandsmieten
Orientierungssatz
Das hier gegebene Außerachtlassen von Bestandsmieten ist von der den Grundsicherungsträgern eingeräumten Methodenfreiheit gedeckt und trägt am ehesten dem Umstand Rechnung, dass auch die Leistungsbezieher im Rahmen einer Wohnungssuche auf die aktuellen Angebotspreise verwiesen sind (vgl LSG Essen vom 5.12.2019 - L 7 AS 1764/18).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.03.2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung von März 2015 bis Februar 2016.
Die 1969 geborene Klägerin bezieht seit Juni 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Sie bewohnt eine Wohnung auf der O-Straße 00 in Recklinghausen mit einer Wohnfläche von 69,13 qm. Die Höhe der Kaltmiete betrug im streitigen Zeitraum 338,74 Euro. Hinzu kamen Nebenkostenvorauszahlungen bis zum 31.12.2014 in Höhe von 57,49 Euro und ab dem 01.01.2015 in Höhe von 66,26 Euro sowie Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von zunächst 29,00 Euro, ab Januar 2015 in Höhe von 67,00 Euro und ab November 2015 in Höhe von 47,00 Euro. Mit Schreiben vom 01.08.2014 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Kosten für die Unterkunft und Heizung zu senken. Die angemessene Grundmiete für eine Person liege bei 240,00 Euro. Da die Abrechnung der Betriebskosten zudem überwiegend nach Wohnfläche und nicht nach Personenanzahl erfolge, sei die für die Fläche von über 50 qm geforderte Betriebskostenvorauszahlung als unangemessen anzusehen. Dies gelte auch für die Heizkosten. Die aktuelle Miete könne nur noch für die Dauer von sechs Monaten, d.h. bis einschließlich November 2014 berücksichtigt werden. Nach Ablauf der Frist könnten nur noch die angemessenen Kosten für die Grundmiete in Höhe von 240,00 Euro und die angemessenen Betriebskostenvorauszahlungen berücksichtigt werden. Mit Bescheid vom 07.11.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin von Dezember 2014 bis Februar 2015 Leistungen. Dabei berücksichtigte sie die bisher anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung. Eine Absenkung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf die aus Sicht der Beklagten angemessenen Kosten erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 16.12.2014 wies die Beklagte auf neue Angemessenheitskriterien hin. Für einen Ein-Personen-Haushalt in Recklinghausen sei eine Wohnung mit 50 qm und einer Bruttokaltmiete (Kaltmiete inkl. Nebenkosten - ohne Heizkosten) in Höhe von 340,00 Euro als angemessen anzusehen. Die Heizkosten würden zusätzlich übernommen. Es bleibe bei der Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten. Nachdem die Klägerin im Januar 2015 eine Abrechnung über die Heizkosten für die Zeit vom 24.03.2014 bis 02.09.2014 eingereicht hatte, wonach sich der Abschlag für die Gaslieferung ab Januar 2015 auf monatlich 67,00 Euro erhöhte, erließ die Beklagte am 08.01.2015 einen Änderungsbescheid, mit welchem sie die Erhöhung des Abschlages für die Heizkosten berücksichtigte.
Am 20.01.2015 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Leistungen ab dem 01.03.2015. Die Kosten für die Unterkunft und Heizung beliefen sich nunmehr auf 338,74 Euro Grundmiete, 66,26 Euro Nebenkostenvorauszahlungen und 67,00 Euro Heizkosten (insgesamt 472,00 Euro).
Mit Bescheid vom 23.01.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.03.2015 bis zum 31.08.2015 Leistungen. Als Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigte sie für die Grundmiete und Nebenkosten sowie die sonstigen Wohnkosten in Höhe von insgesamt nur 340,00 Euro (statt 405,00 Euro) sowie die Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 67,00 Euro. Bei der Berechnung der Grundmiete legte die Beklagte das von der Firma empirica für den Kreis Recklinghausen im Oktober 2013 erstellte "Schlüssige Konzept zur Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Bedarfe der Unterkunft" (im Folgenden: Konzept 2013) sowie die darauf basierende "Richtlinie L" (Leistungsrecht 006/2014 vom 17.12.2014) zugrunde. Für die Kaltmiete stützte sich die Beklagte auf das Konzept 2013, bezüglich der Betriebskosten auf den Betriebskostenspiegel 2013/2014 des Deutschen Mieterbundes e.V., der am 01.10.2014 veröffentlicht wurde. Dabei berücksichtigte die Beklagte als Kaltmiete einen Betrag in Höhe von 240,00 Euro und als Betriebskosten einen Betrag in Höhe von 100,00 Euro (laut Betriebskostenspiegel 2013/2014 2,00 Euro/ qm x 50 qm).
Den hiergegen am 30.01.2015 eingelegten Widerspruch wies der Kreis Recklinghausen als Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom 13.05.2015 änderte die Beklagte den Bescheid vom 23.01.2015 dahingehend ab, dass ab Juni 2015 bis August 2015 de...