Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösung des Versicherungsverhältnisses durch wirksame Beitragserstattung

 

Orientierungssatz

1. Durch eine Beitragserstattung wird das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nach § 210 Abs. 6 S. 2 und 3 SGB 6 nicht mehr. Eine Erstattung kann nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Versicherten nur die Hälfte der gezahlten Beiträge erstattet wird. Eine gesetzliche Grundlage, den erhaltenen Betrag an den Rentenversicherungsträger zurückzuzahlen und statt dessen Rente zu erhalten, besteht nicht.

2. Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass ein Erstattungsantrag, ein wirksamer Erstattungsbescheid und eine rechtswirksame befreiende Bewirkung der Erstattungsleistung vorliegen.

 

Tenor

Soweit der Kläger eine Entschädigung für die Folgen einer Gallenoperation begehrt, wird die Berufung als unzulässig verworfen und die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.12.2010 zurückgewiesen.

Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist Regelaltersrente, im zweiten Rechtszug außerdem eine Entschädigung für die Folgen einer Gallenoperation.

Der 1940 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. Er war vom 21.11.1963 bis zum 15.2.1967 in der Bundesrepublik Deutschland als Bergmann und für kurze Zeit als Hilfsarbeiter außerhalb des Bergbaus versicherungspflichtig beschäftigt. Danach kehrte er nach Marokko zurück.

Am 12.2.1969 beantragte er über das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Casablanca bei der Ruhrknappschaft (als Rechtsvorgängerin der Beklagten) die Erstattung der in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlten Beiträge. Am 7.1.1970 sprach der Kläger (anlässlich eines Aufenthalts in Deutschland als Tourist) bei der Ruhrknappschaft persönlich vor, um sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Die Bundesknappschaft (als Rechtsnachfolgerin der Ruhrknappschaft bzw Rechtsvorgängerin der Beklagten; fortan einheitlich: Beklagte) entsprach dem Antrag und stellte eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.056,02 DM fest. Hierbei berücksichtigte sie sämtliche Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung (Zeiten vom 21.11.1963 bis zum 23.11.1964 und vom 7.10.1965 bis zum 15.2.1967) sowie Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter für die Zeit vom 13.6. bis 30.9.1965 aus einem versicherungspflichtigen Entgelt von 1.697,82 DM (Bescheid vom 10.2.1970). Diesen Bescheid übergab der Knappschaftsälteste T. am 23.2.1970 dem damaligen Hauswirt des Klägers in Essen, weil er den Kläger unter der angegebenen Anschrift in Essen-Überruhr nicht getroffen hatte. Der Erstattungsbetrag wurde dem Kläger am 20.2.1970 durch einen Briefboten in bar ausgezahlt (Bestätigung der Hauswirtin A. M. gegenüber dem Knappschaftsältesten T. am 6.5.1970; Auskunft des Postscheckamts Dortmund vom 18.6.1970).

Nachdem die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz (jetzt: DRV Rheinland) mitgeteilt hatte, für die Beschäftigung vom 13.6. bis 30.9.1965 sei von einem (höheren) versicherungspflichtigen Entgelt von 1.991,64 DM auszugehen, stellte die Beklagte eine weitere Erstattungsforderung von 20,56 DM fest; der Betrag werde nach Marokko überwiesen (an den Kläger in Marokko adressierter Bescheid vom 12.8.1970). Der Bescheid wurde dem Kläger am 17.8.1970 zugestellt. Fast 2 Jahre später (Schreiben vom 10.5.1972) teilte die LVA Rheinprovinz der Beklagten mit, dass der Kläger vom 13.6. bis 30.9.1965 tatsächlich nur 1.697,82 DM verdient habe. Von einer Rückforderung des überzahlten Betrages von 20,56 DM werde Abstand genommen.

Anträge des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung (zunächst wegen Folgen einer Magenoperation 1967, später wegen Folgen einer Gallenoperation 1964 in Deutschland) lehnte die Beklagte wegen der Beitragserstattung ab (Bescheide vom 20.10.1980, 13.4.1981 und 16.1.2006).

Am 26.10.2009 beantragte der Kläger über die marokkanische Verbindungsstelle "Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS)" die Gewährung einer Altersrente ("pension de vieillesse"). Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag wegen der erfolgten Beitragserstattung ab (Bescheid vom 23.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 19.1.2010).

Mit seiner am 10.2.2010 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er habe Beiträge an die Beklagte gezahlt, er sei ein alter Mann und brauche seine Rente.

Die Beklagte hat ihre Entscheidung für richtig gehalten.

Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Rentenanspruch bestehe nicht, weil dem Kläger die geleisteten Beiträge erstattet worden seien. Dadurch sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden (Gerichtsbescheid vom 1...

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