Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Versorgung wegen eines Impfschadens nach durchgeführter Diphtherie-Tetanus-Poliomyelitis-Impfung
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Versorgung aufgrund eines Impfschadens setzt voraus, dass durch eine aufgrund öffentlicher Empfehlung durchgeführte Impfung eine gesundheitliche Schädigung eingetreten ist und dass Gesundheitsstörungen bestehen, die als deren Folgen zu bewerten sind. Um eine solche Impfung handelt es sich bei derjenigen gegen Diphtherie-Tetanus-Poliomyelitis.
2. Die Anerkennung einer Erkrankung als Schädigungsfolge i. S. der Entstehung setzt voraus, dass zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges noch kein der Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches physisches oder psychisches Geschehen vorhanden war.
3. Die Voraussetzungen einer sog. Kann-Versorgung sind nur dann erfüllt, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb nicht als wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. In einem solchen Fall ist Kann-Versorgung zu gewähren, wenn ein ursächlicher Zusammenhang des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird.
4. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Fakten oder Hinweise, die eine Verursachung von Blitz-Nick-Saalam-Anfällen durch eine Impfung gegen Diphtherie, Tetanus oder Poliomyelitis annehmen oder gar beweisen könnten.Vielmehr haben Studien eine Evidenz für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen und neurologischen Schädigungen verneint.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 23.11.2005 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Versorgungsanspruch wegen eines Impfschadens nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht.
Der am 00.00.1986 geborene Kläger beantragte am 29.09.2003 Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz. Er leide an einer cerebralen Parese, Hemiparese rechts und Skoliose als Folge einer Impfung vom 08.09.1986 gegen Diphterie-Tetanus-Poliomyelitis. Das Versorgungsamt B holte einen Bericht des Kinderarztes Dr. Q vom 08.10.2003 ein und zog den Impfpass des Klägers sowie das Vorsorgeuntersuchungsheft bei. Ebenfalls bat es das Gesundheitsamt I um Auskunft. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. M von Februar 2004, der Komplikationen während der Schwangerschaft und die Frühgeburt des Klägers als Ursache der Gesundheitsstörungen ansah, lehnte das Versorgungsamt den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11.03.2004 ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2004 zurück.
Der Kläger hat am 09.08.2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.
Das SG hat ein Gutachten des Kinderepitologen Dr. Q1 vom 18.03.2005 eingeholt. Der Sachverständige hat einen Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen des Klägers und der Impfung verneint. Die im Säuglingsalter aufgetretenen Blitz-Nick-Saalam (BNS)-Krämpfe seien vielmehr auf prä- oder perinatal verursachte Schädigungen des kindlichen Gehirns zurückzuführen. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG im Weiteren ein Gutachten des Internisten Prof. Dr. I1 vom 01.09.2005 eingeholt. Dieser ist aufgrund von damals erhobenen Laborwerten von einer verminderten Abwehrlage des Klägers vor der Impfung ausgegangen. Er hat angenommen, dass der prä- und perinatal entstandene Gehirnschaden des Klägers durch die Impfung während der verminderten Abwehrlage getriggert worden sei. Die Gesundheitsschäden des Klägers seien im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.11.2005 abgewiesen, da ein Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschädigung nicht festgestellt werden könne. Bereits die Primärschädigung sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen. Es bestünden ernste Zweifel, dass die Schutzimpfung am 08.09.1986 zum Auftreten von BNS-Krämpfen geführt habe. Wenngleich der Kläger wohl ungefähr eine Woche nach der Schutzimpfung sog. BNS-Krämpfe gezeigt habe, so genüge dieser zeitliche Zusammenhang nicht, um auch einen ursächlichen Zusammenhang anzunehmen. Zweifel am ursächlichen Zusammenhang würden dadurch ausgelöst, dass der Kläger an postpartaler Asphyxie gelitten habe und bei ihm noch vor der Schutzimpfung ein Krampfanfall aufgetreten sei. Der Auffassung des Prof. I1 könne die Kammer nicht folgen. Dieser Arzt stelle lediglich verschiedene Diagnosen, die er jedoch nicht mithilfe entsprechender Befunde belege.
Gegen das ihm am 29.11.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.12...