Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Abrechnungsprüfung durch MDK. Anwendungsbereich der Ausschlussregelung des § 7 Abs 2 S 4 der PrüfvV 2014. Geltung nur für Auffälligkeitsüberprüfungen. keine Erweiterung auf sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfungen durch Anfügung von § 275 Abs 1c S 4 SGB 5. Ziel eines Prüfauftrags. Auslegung von Willenserklärungen. hier: Streit über Abrechenbarkeit des Zusatzentgelts Nr 133.01 FPVBG 2016

 

Orientierungssatz

1. Der Abrechenbarkeit des ZE133.01 steht nicht die wirksame Ausschlussregelung (vgl hierzu BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 33/18 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 77 RdNr 16) des § 7 Abs 2 S 4 der PrüfvV 2014 (juris: PrüfvVbg), die für Krankenhausaufnahmen bis zum 31.12.2016 galt, entgegen, weil der sachliche Anwendungsbereich der PrüfvV 2014 für den vorliegenden Abrechnungsfall nicht eröffnet ist, da er nur für Auffälligkeitsüberprüfungen galt und eine solche hier nicht vorliegt.

2. Die Anfügung des Satzes 4 an § 275 Abs 1c SGB 5 durch Art 6 Nr 21a KHSG mit Wirkung vom 1.1.2016 hat den Anwendungsbereich der bereits auf der Grundlage von § 275 Abs 1c SGB 5 aF erlassenen PrüfvV 2014 ab Januar 2016 nicht auf sachlich-rechnerische Prüfungen erweitert, weil es für eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs der PrüfvV an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.

3. Ob eine Krankenkasse einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung iSd § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 oder der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung erteilt, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 Abs 1 S 3 SGB 5; vgl BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 22/16 R = BSGE 122, 87 = SozR 4-2500 § 301 Nr 7, RdNr 37).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.06.2022; Aktenzeichen B 1 KR 27/21 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.10.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 3.275,96 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung, insbesondere darüber, ob die Beklagte mit einem Erstattungsanspruch gegen Vergütungsansprüche der Klägerin wegen stationärer Behandlung aufrechnen durfte.

Der bei der Beklagten gesetzlich Krankenversicherte I S (Versicherter) befand sich in der Zeit vom 13.04.2016 bis zum 23.05.2016 im Klinikum W, deren Trägerin die Klägerin ist, in stationärer Behandlung. Die Klägerin forderte für die Behandlung unter Abrechnung der Fallpauschale DRG B11Z nebst Zusatzentgelten mit Rechnung vom 14.06.2016 den Betrag von 22.689,99 EUR von der Beklagten, die mit Schreiben vom 16.06.2016 der Klägerin eine Krankenhausfallprüfung mit folgender Fragestellung anzeigte:

Teilprüfung der Abrechnung: OPS

Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen: ZE130.02, ZE133.01

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) S bat mit Schreiben vom 16.06.2016 das Klinikum W um Übersendung sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen, mindestens jedoch um Übersendung der Arztbriefe/Entlassungsberichte, kompletten Fieberkurve, Dokumente zu den OPS-Kodes 9-200.*, 8-83b.80 und zu den Zusatzentgelten 130*, 133.01, Dokumentation zu Physiotherapie und Ergotherapie, Operations-, PTCA-, PTA-Bericht(e), vollständigen Pflegedokumentation/Dokumentation zum PKMS und des Pflegeberichtes.

Im Gutachten vom 30.09.2016 beanstandete der MDK die Abrechnung lediglich insofern, als der OPS-Kode 8-83b.80 aus dem Dokumentationsbogen nicht eindeutig hervorginge und damit das ZE133.01 nicht abzurechnen sei.

Die Beklagte verrechnete hieraufhin am 04.10.2016 den sich daraus ergebenden Erstattungsbetrag in Höhe von 1.637,98 EUR.

Mit der 2017 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat die Klägerin diesen Betrag nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat für den Fall einer unzulässigen Aufrechnung hilfsweise widerklagend ebenfalls den Betrag in Höhe von 1.637,98 EUR geltend gemacht.

Nach Auswertung der beigezogenen Patientenakte in dem Behandlungsfall des Versicherten bestätigte der MDK X im Gutachten vom 06.02.2018 das Vorliegen der Voraussetzungen des OPS-Kodes 8-83b.80 anhand des Interventionsprotokolls und der Chargenaufklebern.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 10.10.2019 zur Zahlung von 1.637,98 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2016 verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Die Aufrechnung in Höhe von 1.637,98 EUR sei unzulässig gewesen, da sich aus § 15 Abs 4 Satz 2 des Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs 2 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den gesetzlichen Krankenkassen (Landesvertrag NRW) ein Aufrechnungsverbot für die dort nicht ausdrücklich erwähnten Fälle ergebe. Ein in § 15 Abs 4 Satz 2 Landesvertrag NRW geregelter Fall lie...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge