Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Übernahme von Bestattungskosten. Leistungsbezieher nach dem SGB 2. Kostentragung Friedhofsgebühr. keine Verweisbarkeit auf vorgehende Ansprüche gegenüber Dritten

 

Orientierungssatz

1. Der Sozialhilfeträger übernimmt nach § 74 SGB 12 die erforderlichen Kosten einer Bestattung, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Übernahmepflicht beschränkt sich auf den Mindeststandard der günstigsten zulässigen Bestattungsart und der Kosten des Bestattungshauses.

2. Einem Bezieher von Leistungen des SGB 2 ist nicht zuzumuten, die Friedhofsgebühren aus eigenem Einkommen oder Vermögen selbst zu tragen.

3. Der Hilfebedürftige kann nicht nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes auf vorgehende Ansprüche gegenüber Dritten verwiesen werden.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.06.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Übernahme der Friedhofsgebühren, die im Zusammenhang mit der Bestattung des Vaters der Klägerin entstanden sind.

Die 1953 geborene Klägerin ist Tochter des am 00.09.2005 verstorbenen U. Sie bezieht Leistungen nach dem SGB II. Erben des U. waren seine Ehefrau zu ein Halb und die Klägerin sowie deren Bruder zu je ein Viertel. Am 26.09.2005 stellten die Klägerin sowie ihre Mutter und ihr Bruder jeweils einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten bei der Beklagten. Die Klägerin legte eine Rechnung der Kosten des Bestattungshauses O vom 23.09.2005 in Höhe von 1420,00 EUR und einen Gebührenbescheid des Friedhofs der Evangelischen Kirchengemeinde S vom 06.10.2005 vor, in dem sie als Auftraggeberin ausgewiesen ist. Mit diesem werden Gebühren in Höhe von insgesamt 1.012,00 EUR für eine "Grabstätte auf der amerikanischen Wiese" erhoben. In den Gebühren enthalten sind unter anderem Kosten für 20 Jahre Pflegearbeiten in Höhe von insgesamt 200,00 EUR.

Mit Bescheid vom 19.01.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Friedhofsgebühren aus Mitteln der Sozialhilfe ab. Es sei der Klägerin möglich und zuzumuten, beim Friedhofsträger einen Gebührenerlass zu beantragen. Nach § 42 des Kirchengesetzes über die Friedhöfe der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Friedhofsgesetz) könne eine Gebühr oder ein Entgelt auf Antrag ermäßigt werden, wenn die Erhebung nach Lage des einzelnen Falles eine unbillige Härte bedeuten würde. Die Inanspruchnahme eines Gebührenerlasses sei der Klägerin auch zumutbar.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 06.02.2006 Widerspruch und gab an, von der Kirchengemeinde werde bereits eine Prüfung durchgeführt. Das Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische P teilte der Beklagten mit Schreiben vom 07.02.2006 mit, dass ein Erlass der Friedhofsgebühren nicht in Betracht komme. Nach herrschender Meinung sei ein kirchlicher Friedhofsträger nicht zur Durchführung kostenloser Bestattungen verpflichtet, da die Gewährung derartiger Bestattungen bei Hilfebedürftigen öffentliche Last und damit Aufgabe der politischen Gemeinde als Sozialhilfeträger sei. Ein Nachrang des Sozialhilfeträgers sei zumindest gegenüber kirchlichen Friedhöfen nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 16.05.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Bestattungkostenbeihilfe in Höhe von 343,88 EUR. Dies entspricht 25 % der tatsächlich angefallenen Kosten des Bestattungshauses abzüglich eines einzusetzenden Nachlasses in Höhe von 51,48 EUR. Ein gleichlautender Bescheid erging auch an den Bruder der Klägerin. Der Mutter der Klägerin wurde eine Bestattungskostenbeihilfe in Höhe von 50 % der angefallenen Kosten bewilligt. Am 09.06.2006 fragte die Beklagte bei Klägerin an, ob von ihr ein Antrag auf Erlass bzw. Ermäßigung der Friedhofsgebühren gestellt worden sei. Am 28.06.2006 erhielt die Beklagte ein Schreiben der Klägerin, in dem diese der Beklagten die Stellungnahme der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische P vom 07.02.2006 übermittelte und ausführte, ein Antrag auf Erlass der Friedhofsgebühren sei nicht erforderlich. Die Kirchengemeinde habe das Konsistorium in Berlin mit der Sache betraut. Ein Erlassantrag werde nicht entgegengenommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2006 zurück. Der Klägerin sei durchaus zuzumuten gewesen, beim Friedhofsträger einen Antrag auf Ermäßigung bzw. Erlass der Gebühren zu stellen. Die beantragte Leistung werde daher infolge fehlender Mitwirkung gemäß § 60 SGB I versagt.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.07.2006 Klage erhoben. Sie hat auf das Schreiben der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische P verwiesen und außerdem vorgetragen, dass sie alles getan habe, um die gegenüber der Beklagten geltend gemachte Erstattung anderweitig abzudecken.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29....

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