Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrentenanspruch. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe. Pflege und Betreuung. voreheliche Lebensgemeinschaft. gemeinsame volljährige Kinder. Beweislast
Orientierungssatz
1. Für alle seit dem 1.1.2002 geschlossenen Ehen gilt nach § 46 Abs 2a SGB 6 die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Diese gesetzliche Vermutung ist widerlegbar. Die Widerlegung erfordert nach § 202 SGG und § 292 ZPO den vollen Beweis des Gegenteils (vgl LSG Essen vom 13.1.2006 - L 14 RJ 67/04). Bei entsprechend kurzer Ehedauer ist damit grundsätzlich vom Vorliegen einer Versorgungsehe auszugehen. Nur in begründeten Ausnahmefällen besteht ein Witwenrentenanspruch.
2. Die Dauer einer vorehelichen Lebensgemeinschaft im Rahmen der Prüfung der Versorgungsehe iS von § 46 Abs 2a SGB 6 kann ein Argument sowohl für als auch gegen das Vorliegen einer solchen sein (vgl LSG Hessen vom 13.12.2006 - L 2 R 220/06).
3. Dem Umstand der Pflege und Betreuung des schwerkranken Ehemannes kommt nicht solches Gewicht zu, dass er allein vor dem Hintergrund der weiteren objektiv vorliegenden Umstände die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe iS des § 46 Abs 2a SGB 6 widerlegen kann.
4. Auch gemeinsame Kinder, die zum Zeitpunkt der zweiten Heirat bereits volljährig waren, können die Annahme einer Versorgungsehe nicht widerlegen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.11.2006 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Witwenrente nach dem ... 2004 verstorbenen Versicherten M L (Versicherter) welchen die ... 1940 geborene Klägerin ... 2003 geheiratet hatte.
In der Zeit von März 1959 bis Dezember 1973 war sie zuvor bereits mit dem am ... 1929 geborenen Versicherten verheiratet. Zum Zeitpunkt der Scheidung der ersten Ehe waren aus dieser sechs gemeinsame Kinder hervorgegangen. Die Ehe wurde aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die Klägerin hat ein weiteres leibliches, ... 1974 geborenes Kind (Zeugin R L). Die Klägerin und der Versicherte führten nach der Scheidung jeweils einen eigenen Haushalt. Beide haben nicht wieder geheiratet. Der Versicherte lebte in einem in seinem Eigentum stehenden Haus in K-L, welches nach den Angaben der Klägerin zuletzt stark baufällig und renovierungsbedürftig war und mittlerweile abgerissen wurde. Es habe beispielsweise keine Zentralheizung und kein Badezimmer gehabt, des weiteren seien die Fenster defekt gewesen. Die Klägerin lebte in einer Mietwohnung, zuletzt unter ihrer jetzigen Anschrift in W.
Sie hat vorgetragen, ihre Beziehung zu dem Versicherten sei auch nach der Scheidung nie ganz abgebrochen. So habe man sich regelmäßig bei Kindergeburtstagen und an Weihnachtsfesten getroffen und zusammen sog. Kaffee- bzw. Butterfahrten unternommen. Die Klägerin behauptet, sie habe seit etwa 1994 erneut eine Beziehung zu dem Versicherten aufgenommen. Eine Lebensgemeinschaft bestand nach ihren Angaben allerdings erst wieder seit April 2003; zu diesem Zeitpunkt sei der Versicherte in ihre Mietwohnung gezogen. Einwohnermelderechtlich war der Versicherte seit ... 2003 unter der Anschrift der Klägerin in W gemeldet.
Zum Zeitpunkt der Scheidung war die Klägerin Hausfrau. Seither lebte sie im Wesentlichen von Sozialhilfe. In der Zeit von Juni 1993 bis Februar 2000 war sie als Spielhallenaufsicht und Verkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt. Der Versicherte bezog von der Beklagten Versichertenrente in Höhe eines Netto-Zahlbetrags von 1.848,43 Euro seit dem 01.07.2003. Die Klägerin verfügte nur über ein Einkommen in Höhe eines Netto-Zahlbetrages von 286,25 Euro seit dem 01.07.2003 aus einer Versichertenrente aus eigenem Recht.
Der Versicherte war an zwei Karzinomen, einem Larynxkarzinom sowie einem zentralen Bronchialkarzinom erkrankt. Die Erstdiagnose dieser Erkrankungen erfolgte im April 2003. Die Karzinome wurden nicht operativ behandelt. In der Zeit von April bis Juni 2003 fand eine von dem behandelnden W-A-Hospital in G als palliativ bezeichnete Chemotherapie statt. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und auch noch im Mai 2003 war der Versicherte in allen Bereichen und Verpflichtungen des täglichen Lebens selbständig.
Die Entscheidung zu einer erneuten Eheschließung wurde erst nach der Krebsdiagnose gefasst, wiewohl der Versicherte bereits zuvor immer wieder auf eine Wiederheirat drängte. Die Klägerin hat insofern ausgeführt "Er hat mir dann vorgeschlagen erneut zu heiraten. Das war schon nach der Krebsdiagnose.".
Am 09.02.2004 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem verstorbenen Versicherten. Hierzu gab sie an, der Versicherte sei plötzlich und unvermutet gestorben und die tödlichen Folgen ...