Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren als einheitliches Verfahren iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG. Einbeziehung einer Gegenvorstellung in das vorangegangene Verfahren. Kostennachfestsetzungsverfahren als eigenständiges Verfahren iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG. Angemessenheitsprüfung. Ermittlung der Verzögerungsmonate. Aktenübersendung an das Entschädigungsgericht nach Erhebung einer Entschädigungsklage. Überlegungs- und Bedenkzeiten. 3 Monate für Kostenfestsetzungsverfahren. 12 Monate für Erinnerungsverfahren. 3 Monate für Gegenvorstellung. Dauer des Gesamtverfahrens
Orientierungssatz
1. Die Verfahren der Kostenfestsetzung und Erinnerung werden als einheitliches Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG aufgefasst.
2. Eine zusätzlich eingelegte Gegenvorstellung stellt kein eigenständiges Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG dar, sondern ist entschädigungsrechtlich als dem Verfahren der Kostenfestsetzung und Erinnerung zugehörig anzusehen (vgl BFH vom 20.3.2019 - X K 4/18 = BFHE 263, 498 und BGH vom 13.4.2017 - III ZR 277/16 = NJW 2017, 2478).
3. Ein anschließendes Verfahren der Kostennachfestsetzung ist hingegen nicht mehr Teil des vorangegangenen Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahrens (vgl zur Reichweite der Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses: BGH vom 28.10.2010 - VII ZB 15/10 = BGHZ 187, 227).
4. Zeiten, in denen die Gerichtsakten wegen Erhebung der Entschädigungsklage dem Entschädigungsgericht vorgelegen haben und dem Ausgangsgericht nicht zur Verfügung standen, zählen bei der Bemessung der unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Ausgangsverfahrens nach § 198 Abs 1 GVG nicht als Verzögerungszeiten, wenn das Ausgangsgericht die Dauer der Aktenüberlassung ausreichend überwacht hat.
5. Der Senat erkennt vorliegend Vorbereitungs- und Bedenkzeiten von 3 Monaten für das Kostenfestsetzungsverfahren, von 12 Monaten für das Erinnerungsverfahren und von weiteren 3 Monaten für die Gegenvorstellung zu.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Entschädigung wegen unangemessener Dauer des vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (Az. S 4 SF 459/18 E) anhängig gewesenen Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahrens (Ausgangsverfahren).
Die Klägerin erhob am 20. Februar 2014 Klage vor dem SG Dortmund (Az. S 4 SB 532/14), mit der sie den Nachteilsausgleich mit dem Merkzeichen "G" geltend machte. Das Klageverfahren endete mit einem durch die Klägerin angenommenem Anerkenntnis (Schriftsatz des damaligen Klägerbevollmächtigten ≪Kl.Bev.≫ vom 18. April 2018). Zugleich stellte die Klägerin einen Kostenantrag und meldete außergerichtliche Kosten i.H.v. 1.556,00 Euro an (Kosten des Kl.Bev. i.H.v. 600,00 Euro, Dolmetscherkosten i.H.v. 150,00 Euro, Mietwagenkosten i.H.v. 476,00 Euro, Kosten für notwendigen Begleiter i.H.v. 150,00 Euro, Kopierkosten i.H.v. 70,00 Euro, Zeitversäumnis Gutachtertermine i.H.v. 70,00 Euro, Kosten für Atteste i.H.v. 40,00 Euro).
Das Verfahren der Kostenfestsetzung und -erinnerung stellte sich chronologisch im Einzelnen wie folgt dar:
|
Datum |
Aktenstelle |
Handelnder |
Aktivität |
12.7.2018 |
5 Beiakte SG |
Kl.Bev |
Antrag auf Kostenerstattung ggü. Bekl. |
9.8.2018 |
1 Beiakte SG |
Beklagte |
Antrag auf Kostenfestsetzung (0,00 Euro) |
15.8.2018 |
28 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Antrag auf Kostenfestsetzung (1.556,00 Euro) |
16.8.2018 |
58 Beiakte SG |
SG |
Weiterleitung zur Stellungnahme an Beklagte |
5.9.2018 |
59 Beiakte SG |
Beklagte |
Stellungnahme |
19.9.2018 |
60 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Stellungnahme |
20.9.2018 |
84 Beiakte SG |
SG |
Weiterleitung zur Stellungnahme an Beklagte |
11.10.2018 |
85 Beiakte SG |
Beklagte |
Stellungnahme |
2.11.2018 |
86 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Verzögerungsrüge |
13.11.2018 |
88 Beiakte SG |
SG |
Kostenfestsetzungsbeschluss (0,00 Euro) |
14.11.2018 |
90 Beiakte SG |
SG |
Ausfertigung Beschluss |
|
|
|
|
26.11.2018 |
92 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Kostenerinnerung |
27.11.2018 |
99 Beiakte SG |
SG |
Nichtabhilfeentscheidung Urkundsbeamter der Geschäftsstelle |
7.12.2018 |
100R Beiakte SG |
SG |
Mitteilung Aktenzeichen und Erinnerungsschrift an Beklagte zur Stellungnahme |
30.1.2019 |
100R Beiakte SG |
SG |
Erinnerung der Beklagten an Verfügung vom 7.12.2018 |
5.2.2019 |
101 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Sachstandsanfrage |
6.2.2019 |
102 Beiakte SG |
SG |
Mitteilung zum Sachstand |
15.2.2019 |
103 Beiakte SG |
Beklagte |
Stellungnahme |
18.2.2019 |
104 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Stellungnahme |
20.2.2019 |
105R Beiakte SG |
SG |
Weiterleitung der Stellungnahmen an Beteiligte zur Kenntnis |
5.4.2019 |
106 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Sachstandsanfrage |
8.4.2019 |
108 Beiakte SG |
SG |
Sachstandsmitteilung |
8.5.2019 |
110 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Stellungnahme |
9.5.2019 |
114 Beiakte SG |
SG |
Sachstandsmitteilung und Hinweis; Weiterleitung an Beklagte zur freigestellten Stellungnahme |
11.6.2019 |
114R Beiakte SG |
SG |
Erinnerung Beklagte |
18.6.2019 |
115 Beiakte SG |
Kl.Bev. |
Stellungnahme |
24.6.2019 |
117R Beiakte SG |
SG |
Weiterl... |