Orientierungssatz

1. Parallelentscheidung zu dem Beschluß des LSG Essen vom 6.12.1996 - L 13 Kg 71/96, der vollständig dokumentiert ist.

2. Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 29.11.2002 - L 13 Kg 54/02 aufgehoben.

 

Tatbestand

Die 1960 geborene, verheiratete Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld für die Zeit ab Januar 1994.

Sie ist chinesische Staatsangehörige und reiste im Februar 1990 zum Besuch des Ehemannes H Q in der Bundesrepublik. Die Stadt P erteilte ihr zunächst zu Studienzwecken die Aufenthaltserlaubnis mit Sichtvermerk. Wegen der politischen Verhältnisse in China erhielt sie am 26.06.1991 erstmals die Aufenthaltsbefugnis, die zuletzt bis 27.06.1997 verlängert worden ist. Ihr Ehemann besaß zunächst eine Aufenthaltserlaubnis. Nach Änderung des Ausländergesetzes 1990 (AuslG 1990) erteilte ihm die Stadt P eine Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990). Nach Mitteilung des Ordnungsamtes P vom 19.11.1996 wird er die Aufenthaltserlaubnis nach dem AuslG 1990 in Kürze erhalten. Nach dem Steuerbescheid des Finanzamtes P vom 19.03.1996 erzielte er im Jahr 1994 Erwerbseinkünfte in Höhe von DM 81.351. Das zu versteuernde Einkommen betrug DM 66.517, die Einkommensteuer DM 12.400. Für das am 28.08.1993 geborene Kind S berücksichtigte das Finanzamt den Kinderfreibetrag in Höhe von DM 4.104. Nach dem Einkommensteuerbescheid vom 10.10.1996 verdiente er im Jahr 1995 DM 108.596. Das zu versteuernde Einkommen wurde unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrages mit DM 91.350 festgestellt. Die Einkommensteuer betrug DM 19.484.

Für ihr Kind S erhielt die Klägerin durch Bewilligung der Beklagten vom 12.10.1993 ab August 1993 Kindergeld. Mit undatiertem Bescheid hob diese im Dezember 1993 die Bewilligung des Kindergeldes im Hinblick auf die Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG in der Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms -1. SKWPG- vom 21.12.1993 -BGBl I 2353-) ab Januar 1994 auf, weil die Klägerin weder eine Aufenthaltsberechtigung noch eine Aufenthaltserlaubnis besaß. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 08.02.1994 zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin darauf hingewiesen, daß ihr Ehemann erlaubt im Bundesgebiet arbeite und Steuern sowie den Solidaritätsbeitrag für die deutsche Einheit und Sozialabgaben zahle. Hier werde kein Unterschied zwischen den verschiedenen Formen der Aufenthaltstitel gemacht.

Das Sozialgericht Detmold hat die Klage durch Urteil vom 02.11.1995 abgewiesen und die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt. Die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG sei nicht verfassungswidrig. Die Anknüpfung an den Aufenthaltstitel sei sachgerecht; Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis besäßen einen weniger sicheren Aufenthaltsstatus. Allein die Tatsache, daß Steuern gezahlt würden, mache die Sachverhalte nicht so gleich, daß durch die unterschiedliche Behandlung gegen das Willkürgebot verstoßen werde.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.11.1995 zugestellte Urteil am 21.12.1995 Berufung und erneut hervorgehoben, daß ihr Ehemann Steuern zahle und der Lebensunterhalt der Familie vollständig durch eigene Einkünfte sichergestellt werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 02. November 1995 zu ändern und den Bescheid vom Dezember 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 1994 aufzuheben, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 in der Fassung des 1. SKWPG vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine (im Verfahren L 13 Kg 2/94) eingeholte Auskunft des Bundesministeriums für Familie und Senioren -BMFuS, jetzt Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend -BMFSJ- vom 06.09.1994 sowie eine am 08.01.1996 (im Verfahren L 13 Kg 81/95) eingeholte Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit -BMG- zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hiernach lag der durchschnittliche Sozialhilfebedarf für Kinder im Jahr 1994 bei DM 7.334, im Jahr 1995 bei DM 7.308. Es hat weiterhin eine im Verfahren S 10 Kg 32/95 Sozialgericht Köln (Auskunft des BMG vom 25.11.1996) erstellte Tabelle zur Höhe des durchschnittlichen Bedarfs beigezogen, die wegen einer geänderten Berücksichtigung der Heiz- und Warmwasserkosten abweichende Werte enthält. 1994 betrug danach der Gesamtbedarf 7.176 DM und 1995 7.296 DM.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Kindergeldakte.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG in der Fassung des Art. 5 Nr. 1 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG vom 21.12.1993 -BGBl I. 2353-) das Grundgesetz verletzt. Die Vorschrift lautet.

"Ein Ausländer hat einen Anspruch n...

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