Orientierungssatz

1. Parallelentscheidung zu dem Beschluß des LSG Essen vom 16.12.1996 - L 13 Kg 105/94, der vollständig dokumentiert ist.

2. Az des BVerfG: 1 BvL 5/97

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.07.2004; Aktenzeichen 1 BvL 5/97)

 

Tatbestand

I. Der Kläger begehrt Kindergeld für sechs in den Jahren 1986 - 1992 geborene Kinder über den 31.12.1993 hinaus.

Er ist im Jahre 1946 geboren und stammt aus dem Libanon. Er reiste im Juli 1985 mit seiner Ehefrau in die Bundesrepublik ein. Sein Asylantrag wurde durch Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.02.1986 als offensichtlich unbegründet bindend abgelehnt. Eine Abschiebung in den Libanon war aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Im Oktober 1986 wurde ein Asylfolgeantrag gestellt, der durch Ordnungsverfügung vom 29.01.1987 als unbeachtlich zurückgewiesen wurde; gleichzeitig wurde die Pflicht zur Ausreise festgestellt und die Abschiebung ausgesetzt. Die entsprechenden Duldungen wurden regelmäßig befristet verlängert. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom November 1990 wurde durch Bescheid vom 20.12.1990 mit der Begründung abgelehnt, Bemühungen um Arbeit seien nicht ausreichend nachgewiesen. Am 18.02.1992 ist erstmals eine Aufenthaltsbefugnis neuen Rechts erteilt und anschließend wiederholt jeweils befristet verlängert worden. Bis zum Sommer 1995 besaß der Kläger einen libanesischen Paß; die Botschaft weigerte sich dann, das Papier zu verlängern.

Seit Mai 1988 lebt der Kläger mit seiner Ehefrau und den in den Jahren 1986 - 1992 geborenen sechs Kindern in B. Seit dem 01.03.1992 ist der Kläger erlaubt abhängig erwerbstätig. Er hat im Jahre 1993 DM 16.392,45 DM und in 1994 26.076,30 DM verdient; Steuern wurden in 1994 nicht einbehalten, da sechs Kinderfreibeträge zustanden. In 1995 hat der Kläger monatlich 2.500,- DM brutto verdient. Er hat erklärt, bis zum Mai 1995 ohne Kindergeld, Sozialhilfe und Wohngeld gelebt und deshalb einen Kredit aufgenommen zu haben. Seit Mai 1995 bezog er Sozialhilfe als Zuschuß zu den Mietkosten. Die Lohnsteuerkarte 1995 weist für die Zeit vom 01.01. - 31.08.1995 einen Verdienst von 24.984,40 DM und vom 01.09. - 31.12.1995 einen von 10.000,- DM aus. Lohnsteuer wurde nicht einbehalten.

Seit Februar 1989 hatte der Kläger Kindergeld und -zuschlag bezogen. Durch Bescheid vom Dezember 1993 hob die Beklagte die Bewilligung ab Januar 1994 unter Hinweis auf die zum 01.01.1994 in Kraft getretene Änderung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz - BKGG - auf; Zuschlag zum Kindergeld wurde durch Bescheid vom 08.02.1994 mit derselben Begründung abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid vom 09.03.1994 zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Dortmund - SG - durch Gerichtsbescheid vom 01.02.1995 abgewiesen. Die Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG sei nicht verfassungswidrig. Die Anknüpfung an den Aufenthaltstitel sei sachgerecht; Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis besäßen einen weniger sicheren Aufenthaltsstatus. Im Falle des Klägers sei letztlich nur eine Verschiebung zulasten der Sozialhilfe eingetreten.

Gegen diesen ihm am 10.02.1995 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.03.1995 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Die allgemeinen Erwägungen des SG träfen auf den Kläger nicht zu. Er gehöre zu den sog. "Altfällen" von Libanesen; für diese gebe es ausländerrechtlich überhaupt keinen Unterschied zwischen Aufenthaltsbefugnis und Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 01. Februar 1995 zu ändern und den Bescheid von Dezember 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. März 1994 aufzuheben,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 BKGG vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für zutreffend. Auf Anfrage hat sie mitgeteilt, dem Kläger hätten in 1994 monatlich Kindergeld und Kindergeldzuschlag in Höhe von DM 1.140,- DM + 390,- DM = DM 1.530,- zugestanden.

Das zuständige Ausländeramt hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt: Die Aufenthaltsbefugnisse wurden dem Kläger aufgrund des Erlasses des Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - IM NW - vom 26.07.1991 erteilt. Bei der Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis spiele die Sozialhilfebedürftigkeit eine Rolle. Die Vertreter der Bezirksregierungen seien der Auffassung, daß dabei Kindergeld bei der Berechnung des gedeckten Lebensunterhalts berücksichtigt und eine entsprechende Regelung herbeigeführt werden solle.

Weiterhin sind zwei Sachbearbeiter von Ausländerbehörden zur ausländerrechtlichen Praxis gehört worden, darunter das Ausländeramt des Klägers. Deren Aussagen haben ergeben:

Bei Sicherstellung des Lebensunterhaltes sei die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Ausländergesetz - AuslG - problemlos. Teilweise komme es auf den Bezug, teilweise auf den Bedarf nach dem Bundesso...

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