Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Anforderungen an die Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten. Belehrung über die angemessene Wohnfläche und Kaltmiete sowie Nachweise der Wohnungssuche. Nichtablauf der Übergangsfrist
Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsträger ist im Rahmen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 verpflichtet, darauf hinzuweisen, welche Anforderungen bei der Angemessenheit einer Wohnung hinsichtlich der Wohnungsgröße in Quadratmetern bezogen auf den allein stehenden Hilfebedürftigen bzw den Kaltmietpreis pro Quadratmeter Wohnfläche zu erfüllen sind. Ferner hat er den Hilfebedürftigen darüber aufzuklären, dass die Bemühungen um eine den Vorgaben entsprechende Wohnung nachzuweisen sind.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 11.08.2006 aufgehoben und der Beschwerdegegner verpflichtet, der Beschwerdeführerin vorläufig in der Zeit vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 für ihre Wohnung in I, V 27 Unterkunftskosten in der von ihr tatsächlich aufgewandten Höhe zu gewähren.
2. Der Beschwerdegegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin sowohl im Antrags- als auch im Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Beschwerdegegners ihr über den 01.08.2006 hinaus die tatsächlichen Kosten für die von ihr und ihrem Sohn bewohnte Wohnung als Leistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.
Die 1966 geborene Beschwerdeführerin und ihr 1985 geborener Sohn bewohnen eine 86 m² große Wohnung, für die monatliche Miete in Höhe von 735,00 € zu zahlen ist.
Mit Bescheid vom 18.01.2006 bewilligte der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 12.01.2006 bis zum 31.07.2006, wobei die Kosten für die Wohnung der Beschwerdeführerin in vollem Umfang berücksichtigt wurden. Mit Schreiben vom 18.01.2006 teilte der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin mit, die Wohnung sei unangemessen teuer. Die Vorgaben des Mietspiegels der Stadt I. sähen für diese Unterkunft eine Kaltmiete von 384,00 € (60 m² multipliziert mit 6,40 €) als Obergrenze vor. Es werde empfohlen, sich bis spätestens zum 31.07.2006 bei der I W Gesellschaft (W ) als Wohnungssuchend eintragen zu lassen. Es stehe der Beschwerdeführerin natürlich frei, sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung zu suchen. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Miete ab dem 01.08.2006 nur noch in angemessener Höhe (384,00 € Kaltmiete zzgl. Nebenkosten) übernommen werde. Mit Bescheid vom 03.07.2006 bewilligte der Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.08.2006 bis zum 31.07.2007 und berücksichtigte dabei Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 540,25 €, d.h. für die Beschwerdeführerin 270,12 € und für ihren Sohn 270,13 €. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben.
Die Beschwerdeführerin hat am 24.07.2006 beim Sozialgericht Mainz (SG) einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und Klage erhoben.
Durch Beschluss vom 11.08.2006 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die angemessene Wohnungsgröße betrage für die Beschwerdeführerin und ihren Sohn 60 m². Hierbei seien die Verwaltungsvorschriften zur Förderungswürdigkeit im Wohnungsbau orientierend heranzuziehen. Gründe, die es rechtfertigten, eine größere Wohnfläche für erforderlich zu halten, lägen nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass zu den seitens des Beschwerdegegners anerkannten Unterkunftskosten auf dem örtlichen Wohnungsmarkt keine Wohnung tatsächlich angemietet werden könnte. Aus den vorgelegten Mietannoncen und den beigefügten handschriftlichen Notizen lasse sich nur bruchstückhaft entnehmen, welche Wohnungen von der Beschwerdeführerin in Betracht gezogen worden seien bzw. welche Angebote sie tatsächlich gehabt habe. Sie müsse sich auch entgegenhalten lassen, dass sie auf ein Wohnungsangebot der W Gesellschaft I vom 13.01.2006 nicht reagiert habe.
Gegen den am 12.08.2006 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 14.08.2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, bei der Frage der Angemessenheit der Wohnung seien besondere persönliche und berufliche Bedürfnisse des Wohnungsberechtigten und seiner Angehörigen sowie der nach der Lebenserfahrung in absehbarer Zeit zu erwartende zusätzliche Raumbedarf zu berücksichtigen. Sie und ihr Sohn benötigten bereits aus gesundheitlichen Gründen einen weiteren Raum. Im Übrigen sei ihrem Sohn von der Agentur für Arbeit Einstiegsgeld bewilligt worden. Ihr Sohn übe eine selbstständige Tätigkeit aus. Aus finanziellen Gründen müsse er seiner gewerblichen Tätigkeit in der Wohnung nachgehen. Hieraus ergebe sich, dass ein zusä...