Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Übersendungsfrist des § 7 Abs 2 PrüfvV (juris PrüfvVbg) enthält keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist

 

Orientierungssatz

1. Die Übersendungsfrist des § 7 Abs 2 PrüfvVbg idF vom 18.7.2014 enthält keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist für die Vorlage von ausdrücklich angeforderten, aber nicht (fristgerecht) vorgelegten Unterlagen.

2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG wirkungslos.

 

Tenor

1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10.08.2020 wird zurückgewiesen.

2.Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.410,95 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig sind Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 2.410,95 € nebst Zinsen.

Die Klägerin ist Rechtsträgerin des nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen M-Klinikums B. In diesem wurde der bei der Beklagten krankenversicherte, am 29.12.1941 geborene R S (im Folgenden: Versicherter) vom 04.11.2015 bis zum 06.11.2015 vollstationär wegen Verdachts auf einen Pleuraerguss   links behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten am 19.11.2015 unter Zugrundelegung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group   (DRG)) F62B (Herzinsuffizienz und Schock ohne äußerst schwere CC oder ohne Dialyse, ohne komplizierende Diagnose) insgesamt 2.410,95 € in Rechnung. Dieser Betrag wurde von der Beklagten unter Vorbehalt am 18.12.2015 angewiesen. Die Beklagte erteilte ihrem Sozialmedizinischen Dienst (SMD) am 18.12.2015 einen Prüfauftrag, da die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung zweifelhaft sei. Der SMD forderte mit Prüfanzeige vom selben Tag von der Klägerin die zur abschließenden sozialmedizinischen Beurteilung notwendigen Unterlagen, insbesondere die Patientenakte, unter Fristsetzung bis zum 15.01.2016 an; die Anforderung wurde per Telefax am 18.12.2015 übermittelt. Mit Schreiben vom 19.01.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, mangels Vorlage der angeforderten Unterlagen gehe man davon aus, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Vergütungsanspruchs nicht nachgewiesen seien und werde die bereits gezahlten Beträge bei der nächsten Rechnung einbehalten. Am 20.01.2016 ging bei der Beklagten die mit Schreiben vom 18.01.2016 abgeschickte Patientenakte ein. Am 22.01.2016 nahm die Beklagte eine Verrechnung der bereits gezahlten Vergütung in voller Höhe mit unstreitigen anderen Forderungen der Klägerin aus der Behandlung von Versicherten der Beklagten vor.

Die Klägerin hat am 14.06.2018 Zahlungsklage in Höhe von 2.410,95 € nebst Zinsen zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben, mit der sie geltend gemacht hat, die vollstationäre Behandlung des Versicherten sei insgesamt notwendig gewesen. Die verspätete Vorlage der Patientenakte schließe sie mit ihrem Vergütungsanspruch entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht aus. Denn § 7 Abs. 2 Sätze 3, 4 der am 01.09.2014 in Kraft getretenen Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Abs. 2 KHG zwischen dem GKV-Spitzenverband, Berlin und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., Berlin (im Folgenden: PrüfvV 2014) beinhalte entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten keine Ausschlussfrist. Anders als in § 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 und § 8 Satz 4 PrüfvV 2014, in denen wörtlich ausgeführt werde, dass es sich um Ausschlussfristen handele, finde sich eine entsprechende Formulierung in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 gerade nicht. Die - im gerichtlichen Verfahren vorgelegte - Patientenakte sei daher bei der Klärung der Notwendigkeit der stationären Behandlung zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat eingewandt, da die Klägerin die zur Prüfung angeforderten Unterlagen dem SMD außerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 übersandt habe, sei sie mit der Berücksichtigung dieser Unterlagen auch im gerichtlichen Verfahren präkludiert. Es handele sich um eine materiell- rechtliche Ausschlussfrist (Hinweis u.a. auf LSG Baden-Württemberg 17.04.2018 - L 11 KR 936/17). Sie hat ein Rechtsgutachten des Spitzenverbandes Bund der Krankenkasse zur Rechtsnatur der Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 vom 31.01.2018 vorgelegt, das ihre Rechtsauffassung stützt. Auf eine Einsichtnahme und Auswertung der Patientenakte hat sie ausdrücklich verzichtet.

Das SG hat unter Einbeziehung der Patientenakte Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von PD Dr. W vom 12.12.2018. Der Sachverständige hat dargelegt, die stationäre Aufnahme und Behandlung des Versicherten vom 04.11.2015 bis 06.11.2015 sei gutachterlich nachvollziehbar. Bei dem Versicherten habe es sich um einen multimorbid erkrankten Patienten gehandelt, der einen erheblichen Pleuraerguss infolge einer Herzerkrankung und operativen Eingriff...

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