Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Ausschluss. Familienversicherung. Kinder. Beitragsbelastung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Wählen Eltern für ihre Kinder anstatt einer privaten Krankenversicherung die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, ist die damit verbundene Beitragsbelastung in der gesetzlichen Pflegeversicherung hinzunehmen (vgl BVerfG vom 19.12.1994 - 1 BvR 1688/94 = SozR 3-1300 § 40 Nr 3). Dies verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Die ... 1988 geborene Klägerin zu 1. und der ... 1991 geborene Kläger zu 2. sind bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) freiwillig krankenversichert und deshalb bei der Beklagten pflegeversichert. Ihr Vater ist als Rechtsanwalt tätig und privat krankenversichert, ihre Mutter ist ebenfalls bei der DAK krankenversichert.
Mit Bescheiden vom 09.01.1995 an die Kläger stellte die Beklagte fest, dass diese der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung unterliegen und ab 01.01.1995 Beiträge in Höhe von 13,54 DM monatlich zu entrichten haben, die sich nach ihren beitragspflichtigen Einnahmen bemessen würden. Es wurde von beitragspflichtigen Einnahmen von monatlich 1.353,33 DM (90. Teil der monatlichen Bezugsgröße mal 30) ausgegangen.
Die Kläger erhoben Widerspruch und machten geltend, zwar vollziehe die Beklagte mit der Beitragserhebung die Vorgaben des Gesetzes. Die gesetzliche Bestimmung über die Beitragspflicht für freiwillig versicherte Kinder ohne eigenes Einkommen sei jedoch verfassungswidrig. Materiell-rechtlich verstoße die Beitragserhebung gegen den in § 240 Abs. 1 Satz 2 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) fixierten Grundsatz, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitglieds berücksichtigen müsse. Die Annahme von Einnahmen bei ihnen entbehre jeglicher sachlichen Grundlage. Sie seien nur deshalb "freiwillig" in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, weil ihr Vater als Selbständiger nicht krankenversicherungspflichtig sei und keine Versicherungsberechtigung als freiwillig Versicherter habe und eine Mitversicherung als Familienangehörige bei ihrer Mutter an § 10 Abs. 3 SGB V scheitere. Als Folge davon scheitere in der Pflegeversicherung eine beitragsfreie Mitversicherung bei ihrer Mutter als Familienmitglieder an den Vorschriften des § 25 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 des 11. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Im Vergleich zu anderen Kindern, die im Rahmen der Familienversicherung nicht selbst Beiträge zahlen müssten, stelle dies eine ganz erhebliche Schlechterstellung dar. Zudem gebe es für diese Beitragsleistungen keine unmittelbare "Gegenleistung". In der Pflegeversicherung würden sie nur als zusätzliche Beitragszahler ausgenutzt, die später im Pflegefall keine anderen Leistungen erhalten könnten als Kinder, die 25 Jahre lang wegen Familienversicherung beitragsfrei gewesen seien. Die Beiträge könnten nicht von ihnen selbst gezahlt werden, sondern müssten von den unterhaltspflichtigen Eltern aufgebracht werden. Die Leistungspflicht der Eltern spiele bei dem Ausschluss aus der gesetzlichen Krankenversicherung als Ausgangspunkt keine Rolle. Ihre Beitragspflicht in der Pflegeversicherung gehe über das sozial Erträgliche und über die Leistungsfähigkeit ihrer Eltern hinaus, darin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.1995 wurden die Widersprüche der Kläger zurückgewiesen.
Hiergegen haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Speyer (SG) erhoben.
Das SG hat das Verfahren bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 u.a.) zum Ruhen gebracht.
Nach Kenntnis der Entscheidungen des BVerfG vom 03.04.2001 haben die Kläger weiterhin geltend gemacht, ihre Heranziehung zu Beiträgen in der sozialen Pflegeversicherung sei verfassungswidrig. Das BVerfG habe klargestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, eine beitragsrechtliche Familienkomponente im SGB XI zu schaffen. Nach dem Urteil hätten Eltern, die Kinder erzögen, Anspruch auf einen gegenüber Kinderlosen geringeren Beitrag, obwohl ihre Kinder beitragsfrei in der Familienversicherung mitversichert seien. Daher müsse erst recht in ihrem Fall eine Beitragsbefreiung erfolgen. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Übertragung der Regelung zur Krankenversicherung auf die Pflegeversicherung sei in jedem Fall verfassungswidrig. Sie strafe die Kinder wegen der Form der Berufsausübung eines Elternteils mit einer Beitragspflicht, obwohl die Kinder als Beitragspflichtige auf diese Situation keinerlei Einfluss hätten. Sie bewirke entgegen dem Drei-Generationen-Modell der Pflegeversicherung, welches durch die Beitragszahlung in der zweiten Phase, der Zeit der eigenen Berufstätigkeit, gep...