Orientierungssatz

Zur Frage der Versicherungsfreiheit einer Filialleiterin.

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 26.04.1977; Aktenzeichen S 9 K 79/76)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 26. April 1977 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte, die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) haben als Gesamtschuldner die der Klägerin und der Beigeladenen zu 3) entstandenen außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Aufgrund „Kommissions-Agentur-Vertrages” vom 2. Januar 1973 übernahm die Beigeladene zu 3) das von der Klägerin angemietete und für den Einzelhandel mit Schuhwaren eingerichtete Verkaufsgeschäft in L., G.straße … als „Inhaber”. Nach dem Vertrag kann sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben dritter Personen bedienen, die sie in eigenem Namen einzustellen und für die sie die Sozialversicherungsbeiträge auf eigene Kosten abzuführen hat. Die Einstellung der Hilfskräfte, für deren Fehlverhalten einschließlich leichter Fahrlässigkeit die Beigeladene zu 3) haftet, ist der Klägerin anzuzeigen. Die Vergütung für die Betriebsführung ist auf 11 % des Verkaufserlöses festgesetzt. Sie errechnet sich aus einer Provision von 16 % abzüglich einer Pauschale von 2 % für Werbemaßnahmen und einer weiteren Pauschale von 3 % für die von der Klägerin zu tragenden sonstigen laufenden Unkosten. Die Ware wird von der Klägerin zur Verfügung gestellt, doch kann die Beigeladene zu 3) aus dem Sortiment für ihren Bedarf auswählen. Unverkaufte Ware nimmt die Klägerin zurück; sie bestimmt auch die Mindestpreise. Während die Beigeladene zu 3) Schuhe nur von der Klägerin beziehen darf und in deren Namen verkaufen muß, ist sie berechtigt, Zubehör auf eigene Rechnung zu vertreiben; sie muß es jedoch bei der Klägerin einkaufen, sofern diese den betreffenden Artikel führt. Der Beigeladene zu 3) obliegt außerdem die Verpflichtung, die üblichen Öffnungszeiten einzuhalten, täglich abzurechnen und die örtliche Werbung mit der Klägerin abzustimmen. Der Vertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich gekündigt werden. Zusätzlich hat die Beigeladene zu 3) als Selbstschuldnerin die Haftung für alle Mietverpflichtungen der Klägerin gegenüber dem Vermieter der Geschäftsräume übernommen.

Durch Bescheid vom 3. August 1976 stellte die Beklagte der Klägerin gegenüber die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 3) zur Angestelltenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung fest und forderte für die Zeit vom Dezember 1973 bis Juni 1976 aufgelaufene Beiträge in Höhe von 16.989,10 DM nach. Nachdem sie den Widerspruch durch Bescheid vom 11. Oktober 1976 zurückgewiesen hatte, hob das Sozialgericht Speyer (SG) durch Urteil vom 26. April 1977 die angefochtenen Bescheide auf, weil die Beigeladene zu 3) zwar in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu der Klägerin stehe, jedoch keine für die Versicherungspflicht maßgebende persönliche Abhängigkeit festzustellen sei. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) hob das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) durch Urteil vom 26. Januar 1978 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Es vertrat die Ansieht, die Beigeladene zu 3) könne nicht als Selbständige angesehen werden, weil sie kein Unternehmerrisiko trage; nach dem „Kommissions-Agentur-Vertrag” sei es ihr nicht möglich, im betrieblichen Bereich selbständige Entscheidungen zu treffen. Insgesamt gesehen widerspreche es dem Schutzgedanken der gesetzlichen Sozialversicherung. Personen, die unter Ausnutzung der Vertragsfreiheit und der Gewerbefreiheit die Stellung von selbständigen Unternehmern erlangten, in Wahrheit aber überwiegend persönlich und zugleich auch wirtschaftlich abhängig seien, von dem Schutz der Sozialversicherung aufzunehmen. Dieses Urteil hob das Blindes Sozialgericht (BSG) auf die Revision der Klägerin durch Urteil vom 13. Juli 1978 auf und wies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Bei der Beurteilung der für oder gegen eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 3) sprechendem Umstände dürfe nicht allein von dem Vertragstext ausgegangen werden. Es komme vielmehr darauf an, inwieweit die tatsächliche Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses diesem Vertrag entspreche, worüber weitere Ermittlungen erforderlich seien. Auch das Bestehen eines Unternehmerrisikos spiele eine Rolle, sei allerdings nur im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes beachtlich. Sprächen aufgrund der Feststellung des tatsächlichen Ablaufes der Rechtsbeziehungen der Klägerin mit der Beigeladenen zu 3) ebensoviele Gründe für deren Selbständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung, so sei dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragspartner der Vorzug zu geben, der im vorliegenden Fall auf eine selbständige Stellung der Beigeladenen zu 3) hindeute.

Im anhängigen Verfahren verfolgt die Beigeladene zu 1) die Berufung fort. Sie beantragt weiterhin,

das ...

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