Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 29.08.1990; Aktenzeichen S 6 U 115/88) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 29.8.1990 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer berufsbedingten Atemwegserkrankung.
Der 1950 geborene Kläger war seit August 1977 als Chemiefachwerker in der Firma P. in F. tätig. Er arbeitete dort zunächst bis November 1977 als Betriebsarbeiter an einer PVC-Druckmaschine und danach in der Abteilung Rohstoffkontrolle im chemischen Labor und im Technikum.
Seit Januar 1984 wurde der Kläger von dem HNO-Arzt Dr. Sch. aus L. wegen Sinusitiden (Entzündungen der Nasennebenhöhlen) mit Beteiligung der Bronchien behandelt. Wegen dieser Gesundheitsstörung führte Dr. Sch. im Dezember 1984 eine Kieferhöhlenendoskopie mit Fensterung der Kieferhöhlen vom unteren Nasengang aus durch. Seit 19.3.1985 war der Kläger wegen der Sinusitis und des chronischen sinubronchialen Syndroms ununterbrochen arbeitsunfähig krank; nach einem Arbeitsversuch im März 1986 schied er krankheitsbedingt am 31.3.1986 aus der Firma P. AG aus und wurde bis 1988 zum Zahntechniker umgeschult.
Dr. Sch. erstattete im April 1985 eine Berufskrankheitenanzeige an die Beklagte, in der er eine chemisch-induzierte chronische Rhino-Sinusitis beiderseits aufführte. In seinem Schreiben vom 4.11.1985 teilte er mit, die Beschwerden seien in arbeitsfreien Zeiträumen nicht aufgetreten. Er vermutete eine Erkrankung der Schleimhäute infolge des beruflichen Kontakts mit Lösungsmitteln und anderen chemischen Substanzen, hielt jedoch auch eine nicht berufsbedingte Sinusitis mit Verschlimmerung der Symptomatik am Arbeitsplatz für möglich.
Im März 1986 ging bei der Beklagten eine Unternehmeranzeige der Firma P. AG ein. Diese führte an (Schreiben vom 27.1.1986), berufliche Einflüsse kämen nicht als Ursache der Atemwegsbeschwerden in Betracht, da der Kläger nur in geringem Umfang schädigenden Einflüssen durch PVC, Weichmacher und Lösungsmittel ausgesetzt gewesen sei.
In einem Gutachten vom 2.1.1987 berichtete der Lungenarzt Dr. T. aus M., der Kläger habe angegeben: Er habe erstmals 1978 einen eitrigen Schnupfen und eine Bronchitis und ab 1980 auch Fieber, Hautausschläge im Gesicht, einen erhöhten Blutdruck und Schmerzen in den Kieferhöhlen mit Eiter gehabt. Seit seiner Abwesenheit vom Arbeitsplatz in der Firma P. AG sei er beschwerdefrei. In einer Dr. T. übergebenen schriftlichen Erklärung hatte der Kläger angeführt: Bei seiner Tätigkeit in der Firma P. habe er infolge von Einwirkungen von Staub und Lösungsmitteln unter Hustenreiz mit zähem Auswurf und Schleimhautreizungen der Nase mit Eiterentwicklung zu leiden gehabt; an seinen Arbeitsplätzen habe ständig ein leichter Nebel durch Weichmacherdämpfe bestanden. Dr. T. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung liege nicht vor und die rezidivierende Sinusitis, die den Kläger zur Aufgabe der Tätigkeit in der Firma P. AG veranlaßt habe, sei anlagebedingt.
Nach Anhörung des Staatlichen Gewerbearztes Dr. S. (Kurzgutachten vom 22.6.1987) lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 27.1.1988 und Widerspruchsbescheid vom 28.3.1988 die Anerkennung der Gesundheitsstörung des Klägers – Nasennebenhöhlenbeschwerden, Sinusitis – als Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) ab, weil die Beschwerden bereits nach ihrem Erscheinungsbild dieser Berufskrankheit nicht zuzuordnen seien und ein Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit verneint werden müsse.
Im Klageverfahren hat der Kläger erneut darauf aufmerksam gemacht, nach seinem Ausscheiden aus der Firma P. AG seien seine Beschwerden wie weggeblasen gewesen. Die Beklagte hat dem Sozialgericht eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 11.10.1988 vorgelegt, wonach mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen durch Gefahrstoffe am Arbeitsplatz des Klägers in der Firma P. AG nicht zu rechnen gewesen sei.
In einem Gutachten vom 27.4.1988 haben Prof. Dr. M./Dr. E. von der HNO-Klinik des Klinikums der Stadt L. einen wahrscheinlichen Zusammenhang der chronischen Nasen- und Nasennebenhöhlenerkrankung mit der Berufstätigkeit des Klägers verneint. Dieser hat beanstandet, daß die Gutachter die konkreten allergischen Reaktionen gegen Berufsstoffe nicht getestet hätten.
Die Werksärztin der P.-Werke AG Dr. Schw. hat dem Sozialgericht konkrete Fragen zur Beschäftigung des Klägers im dortigen Betrieb beantwortet und Informationsmaterial übersandt. Im Anschluß daran hat das Sozialgericht eine Begutachtung durch Prof. Dr. G./Privatdozent Dr. B. von der HNO-Klinik des Klinikums der Stadt M. vom 4.4.1990 veranlaßt, die Provokationstests mit arbeitstypischen Substanzen durchgeführt hatten. Sie haben dargelegt: Mit Wahrscheinlichkeit sei es berufsbedingt zu einer richtunggebenden Verschlim...