Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Quasiberufskrankheit. obstruktive Atemwegserkrankung. chronische Kehlkopfentzündung
Orientierungssatz
1. Bei einer chronischen Kehlkopfentzündung handelt es sich nicht um eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der BKVO Anl 1 Nr 4302. Obstruktive Atemwegserkrankung ist der Sammelbegriff für Krankheiten des broncho-pulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen.
2. Neuere medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über die Verursachung einer Rhinopathie durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe liegen derzeit nicht vor, wie sich zur Überzeugung des Senats aufgrund der Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ergibt, derzufolge die Beschränkung der Anerkennung einer Rhinopathie auf Folgen einer BK im Sinne der Nr 4301 nicht auf einem Redaktionsversehen, sondern auf einer bewußten Entscheidung des Verordnungsgebers beruht, der seinerzeit vorhandene medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über die Verursachung einer entsprechenden Gesundheitsstörung durch allergisch wirkende Arbeitsstoffe umgesetzt hat.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer chronischen Kehlkopfentzündung als Berufskrankheit (BK) im Sinne der Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1941 geborene Klägerin war zuletzt seit dem 06.04. 1970 als Montagearbeiterin bei der Firma K. S. GmbH & Co., T., einem Mitgliedsbetrieb der Beklagten, beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte das Montieren von Endoskopen und die Verklebung von Glasfaserleitungen. Hierbei hatte sie u.a. Kontakt mit Spiritus, Aceton und verschiedenen Glasfaserkitten. Am 13.11.1986 erstattete der Lungenarzt Dr. S. eine Anzeige über eine BK wegen im Laufe der letzten Jahre sukzessiv zunehmender bronchitischer und asthmatischer Beschwerden, Kreislaufbeschwerden und intestinaler Beschwerden. Diese Gesundheitsstörungen führte er auf chemisch-toxische, -irritative oder -allergische Reizungen der Schleimhäute des Respirationstraktes infolge der Reizstoffexposition der Klägerin am Arbeitsplatz zurück.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse T. bei und leitete Ermittlungen zu den Schadstoffexpositionen ein (u.a. Erklärung der Klägerin vom 31.01.1987, Berichte des Unfallverhütungsdienstes der Beklagten vom 08.09.1988 und vom 13.02.1989). Sodann ließ sie die Klägerin durch den Internisten und Sozialmediziner Dr. M., Oberarzt der Klinik für Berufskrankheiten B. R. (Klinik) untersuchen und begutachten (Gutachten vom 12.11.1990). Dr. M. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen "chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, Mitralinsuffizienz bei Zustand nach Endo-Myokarditis, Herzrhythmusstörungen, chronische Sinusitis maxillaris beidseits, Adipositas". Die körperliche Untersuchung der Klägerin habe keine Hinweise für das Vorliegen einer kardialen oder pulmonalen Insuffizienz ergeben; über den Lungen habe er ein regelrechtes vesikuläres Atemgeräusch ohne bronchitische oder bronchospastische Nebengeräusche erhoben. Die Klägerin leide an einem chronischen Entzündungszustand im Bereich des Kehlkopfes. Die Lungenfunktionsdiagnostik habe eine mäßiggradig ausgeprägte teilreversible obstruktive Ventilationsstörung ergeben. Eine allergische Ursache dieser obstruktiven Atemwegserkrankung sei nach den Ergebnissen der allergologischen Untersuchung auszuschließen. Ursache der obstruktiven Atemwegserkrankung wie auch der Entzündung im Kehlkopfbereich sei das Einatmen der im Montageprozeß von Glasfaserbündeln freigesetzten Kleberdämpfe. Eine Besserung des Krankheitsbildes sei durch Expositionskarenz gegenüber diesen Dämpfen zu erreichen. Er empfehle deshalb eine Umsetzung am Arbeitsplatz.
Seit dem 01.06.1991 ist die Klägerin beim bisherigen Arbeitgeber im Bereich der Qualitätskontrolle beschäftigt und hat keinen Kontakt zu schädigenden Arbeitsstoffen mehr.
Vom 12.09.1991 bis zum 17.10.1991 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Klinik; die dort durchgeführte Lungenfunktionsprüfung ergab keine Beeinträchtigung der Lungenfunktion (vgl. ärztlicher Entlassungsbericht vom 18.10. 1991). In seinem aufgrund dieses stationären Aufenthaltes erstellten Gutachten vom 28.12.1991 führte der Internist, Arbeitsmediziner und Allergologe Dr. M. zusammenfassend aus, die Klägerin leide dem Grunde nach an einer BK im Sinne der Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV; lungenfunktionsanalytisch habe er keine Hinweise auf eine restriktive oder manifeste obstruktive Ventilationsstörung, ein funktionell sich auswirkendes Lungenemphysem oder eine respiratorische Insuffizienz erhoben. Es finde sich allenfalls eine minimale Bronchospastik; diese verursache keine relevante Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Eine chronische Kehlkopfentzündung habe er nicht diagnostiziert.
In der Zeit vom 14.12.1992 bis zum 17.12.1992 erfolgte eine erneute Untersuchung und Begutachtung der Klägerin in der Klinik. Dr. M. führte in sei...