Atemwegserkrankungen: Frühmeldeverfahren in der Erprobungsphase
Seit einem Jahr erprobt die DGUV unter Beteiligung weiterer Berufsgenossenschaften ein neu entwickeltes Frühmeldesystem, genannt „Frühmeldeverfahren Atemwege“. Ziel ist es, betroffene Beschäftigen bei ersten Anzeichen einer Atemwegserkrankung (sogenannte „Frühfälle“) so schnell wie möglich zu identifizieren und sie mit einer Individualprävention zu heilen. Ein solches Früherkennungssystem für Atemwegserkrankungen fehlt in der Form bislang in Deutschland. Gegensteuern im Frühstadium der Erkrankung kann das Risiko schwerer oder lebensbedrohlicher Gesundheitsschäden besonders effektiv senken. Es besteht damit die Chance einer dauerhaften Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit und des Verbleibs im Berufsleben.
Wegfall von Unterlassungszwang – Atemwegserkrankungen müssen nicht das Ende des Berufslebens bedeuten
Gesetzlicher Hintergrund dieser Präventivstrategie ist der Wegfall des Unterlassungszwangs seit Anfang 2021. Dieser erforderte bis dahin, dass die Berufsgenossenschaften einige Erkrankungen nur dann als Berufskrankheit anerkennen konnte, wenn die versicherte Person ihre gefährdende Tätigkeit aufgegeben hatte. Hierzu gehörten auch die wichtigsten Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale, chronisch-obstruktive Bronchitis sowie allergische Rhinopathien.
Die Gesetzesnovelle stärkt die sogenannte Individualprävention. Die Unfallversicherungsträger haben seitdem noch stärker die Aufgabe, für die Betroffenen, die unter gefährdenden Bedingungen weiterarbeiten, präventive Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit anzubieten. Idealerweise sollten diese Maßnahmen bereits im Frühstadium der Erkrankung einsetzen. Daher sollten betroffene Arbeitnehmer so schnell wie möglich festgestellt werden, doch wirksame Verfahren zur Identifizierung von Beschäftigten im Frühstadium ihrer Erkrankung fehlten bislang.
Frühmeldeverfahren Atemwege – Testphase in Pilotregionen
Das von der AG „Frühmeldeverfahren Atemwege“ der DGUV konzeptionierte Frühmeldeverfahren setzt im Frühstadium der Erkrankung an. Eine Erprobung findet seit Spätsommer 2021 in drei Pilotregionen statt. Mit Zustimmung der Betroffenen können Ärzte den beteiligten Unfallversicherungsträgern Patienten aus den Pilotregionen melden, die erste Beschwerden einer Atemwegserkrankung mit möglicherweise beruflichem Bezug zeigen. Ziel ist es, Versicherte mit Symptomen zu erfassen, die noch unterhalb der Anforderungen einer Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige liegen. Den Betroffenen werden dann individuelle Präventionsmaßnahmen angeboten, die der Entwicklung einer Berufskrankheit oder deren Verschlimmerung entgegenwirken sollen. Das Projekt wird durch drei wissenschaftliche Institute begleitet und evaluiert und im Sommer 2023 auslaufen.
Vor der Gesetzesnovellierung zum Unterlassungszwang erfolgte die erste ärztliche Diagnose und Behandlung meist in der hausärztlichen Praxis, fachärztlich behandelt wurde sie häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium. Die Erkrankungen wurden den Unfallversicherungen bei begründetem Verdacht auf berufliche Verursachung meist durch die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit bekannt gegeben. Bis dahin konnte teilweise sehr viel Zeit vergehen. So haben wissenschaftliche Studien in der Landwirtschaft aufgezeigt, dass die Symptome einer Rinderallergie zum Zeitpunkt der Anzeige als Berufskrankheit im Durchschnitt bereits mehr als neun Jahre bestanden hatten.
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