Leitsatz (amtlich)

1. Die teleologische Funktion des § 165 Abs 5 S 1 RVO besteht darin, die Kontinuität der Versicherungsverhältnisse von Angestellten zu sichern.

2. Ein angestellter Assistenzarzt scheidet schon dann im Laufe eines Jahres aus der Krankenversicherungspflicht aus, wenn sich sein Gehalt durch die Aufnahme von Bereitschaftsdiensten derart erhöht, daß die Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht nur für das laufende sondern auch für das folgende Kalenderjahr von vornherein feststeht.

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 30.01.1986; Aktenzeichen S 2 K 29/85)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.1.1986 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin war bis zum 31.12.1985 (Pflicht-)Mitglied der Beklagten. Nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung ab 1.1.1986 hat sie sich privat gegen Krankheit versichert. Die Beteiligten streiten noch darum, ob die Krankenversicherungspflicht bereits im Laufe des Jahres 1985 entfallen ist.

Die Klägerin ist seit dem 1.10.1984 am Klinikum der …-Universität als Assistenzärztin für Anästhesiologie beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt lag zunächst unstreitig unter der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung. Ab 1.4.1985, nach Ablauf der sechsmonatigen Probezeit, wird sie monatlich zu mindestens drei Bereitschaftsdiensten herangezogen. Pro Bereitschaftsdienst erhält sie mindestens 327,10 DM brutto.

Unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28.4.1983 –12 RK 42/82– beantragte die Klägerin deshalb am 22.4.1985 bei der Beklagten, sie ab 1.4.1985, hilfsweise ab dem nächstmöglichen Termin, von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht „zu befreien”, weil ihre Bezüge nun regelmäßig über der Versicherungspflichtgrenze lägen. Durch Bescheid vom 23.4.1985/Widerspruchsbescheid vom 19.8.1985 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil es sich bei dem zitierten Urteil nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen um eine Einzelfallentscheidung handele, aus der keine grundsätzlichen Konsequenzen zu ziehen seien.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) Mainz hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß sie ab 1.6.1985 nicht mehr Pflichtmitglied der Beklagten sei. Von diesem Zeitpunkt an habe ihr Bruttoeinkommen durch Zahlung von Bereitschaftsdienstvergütungen deutlich über der Pflichtgrenze gelegen. Es sei objektiv voraussehbar gewesen, daß es auch die Jahresarbeitsverdienst-Grenze von 1986 nachhaltig übersteigen werde. –Die Beklagte hat entgegnet, die in dem zitierten BSG-Urteil aufgestellten Grundsätze seien hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es nicht offensichtlich gewesen sei, daß die Jahresarbeitsverdienst-Grenze auf absehbare Zeit überschritten werde.

Durch Urteil vom 30.1.1986 hat das SG Mainz den Bescheid vom 23.4.1985 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.8.1985 aufgehoben und festgestellt, daß die Klägerin ab 1.6.1985 nicht mehr Pflichtmitglied der Beklagten sei. Auf Grund der vertraglichen Verpflichtung der Klägerin zur Ableistung von Bereitschaftsdiensten habe mit Auszahlung der Bereitschaftsdienstvergütungen ab 1.6.1985 festgestanden, daß der regelmäßige Jahresarbeitsverdienst auch im Jahre 1986 über der Pflichtgrenze liegen werde.

Gegen das ihr am 18.2.1986 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.3.1986 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, § 165 Abs. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei hier uneingeschränkt anwendbar. Mit dieser Vorschrift solle vermieden werden, daß der Krankenversicherungsträger ständig von Amts wegen prüfen müsse, ob die Jahresarbeitsverdienst-Grenze unterschritten werde oder nicht. Außerdem sei entgegen der Auffassung des SG trotz der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die tatsächliche Ableistung vergüteten Bereitschaftsdienstes in der Folgezeit nicht sicher gewesen. Abgesehen davon betreffe das zitierte BSG-Urteil nur Gehaltserhöhungen, die mit der Einstufung in eine neue Gehalts- oder Vergütungsgruppe in Verbindung mit einem Wechsel des Arbeitsplatzes und der Arbeitsaufgaben einhergingen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Mainz vom 30.1.1986 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streit Standes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das erstinstanzliche Urteil ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide sind fehlerhaft.

Zu Recht hat das SG festgestellt, daß die Klägerin nicht erst mit Ablauf des Jahres 1985, sondern bereits mit dem Beginn des Monats Juni 1985 aus der Krankenversicherungspflichtspflicht ausgeschieden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 165 Abs. 5 S 1 RVO, der bei ei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge