Entscheidungsstichwort (Thema)

Kriegsopferversorgung. Berufsschadensausgleich. hypothetisch, geltend gemachter Berufserfolg. Einkommensverlust. Kausalität. Rentenberufsschadensausgleich. Auffang- bzw Ergänzungsnorm

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Versorgungsberechtigter keinen Gesellenbrief vorweisen konnte, kann nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass er ohne die Schädigungsfolgen die Meisterprüfung abgelegt und selbständiger Handwerksmeister geworden wäre.

2. Die Regelungen des Rentenberufsschadensausgleichs (§ 30 Abs 4 Satz 3 BVG) stellen Auffang- bzw Ergänzungsnormen für den Fall dar, dass der Beschädigte zuletzt vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben keinen schädigungsbedingten Einkommensverlust erlitten hat.

 

Orientierungssatz

Ein Anspruch auf Renten-Berufsschadensausgleich setzt einen wegen der Schädigungsfolgen nach den Grundsätzen des Berufsschadensausgleichs erlittenen Einkommensverlust voraus. Dieser muss nachgewiesen sein. Damit erstreckt sich die Beweiserleichterung der Wahrscheinlichkeit nicht auf die der Wahrscheinlichkeitsprognose zugrunde zu legenden Tatsachen. Für die übrigen Voraussetzungen des § 30 Abs 3 BVG, insbesondere den betragsmäßigen Einkommensverlust, ist der Nachweis zu erbringen, dh es dürfen keine im Einzelfall begründeten Zweifel bestehenbleiben. Die Beweiserleichterung der Wahrscheinlichkeit iS des § 1 Abs 3 S 1 BVG oder § 30 Abs 5 S 1 BVG gilt insoweit nicht.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1923 geborene Kläger stellte erstmals im Februar 1991 beim Amt für Familie und Soziales in ... einen Antrag auf Versorgung nach dem BVG, den er nach einem Umzug nach K im September 1991 bei dem örtlich zuständig gewordenen Versorgungsamt L wiederholte. Mit Ausführungsbescheid vom 16.03.1995 erkannte das Versorgungsamt L als Schädigungsfolgen mit einer MdE von 30 vH an:

1.  Kleine reizlose Narben rechter Unterschenkel und linker

Oberschenkel,

2.  beidseitige mittelgradige Schwerhörigkeit.

Im Juni 1995 beantragte der Kläger die Gewährung von Berufsschadensausgleich, da er aufgrund seiner Schädigungsfolgen den erlernten Beruf als Schuhmacher/Schuhmachermeister nicht mehr habe ausüben können.

Der berufliche Werdegang des Klägers gestaltete sich nach seinen Angaben wie folgt:

Nach Abschluss der Volksschulausbildung im Jahr 1937 erlernte der Kläger von 1937 bis 1940 den Beruf eines Schuhmachers. Nach Ablegung der Ausbildungsprüfung arbeitete er bis 1942 als Geselle in seinem Lehrbetrieb in ... weiter. Nach Kriegsdienst und sowjetischer Kriegsgefangenschaft war der Kläger vom 03.01.1949 bis 09.08.1949 wiederum bei dem Arbeitgeber ... in ... tätig. Danach war er bis 1952 bei verschiedenen anderen Arbeitgebern jeweils kurzfristig im erlernten Beruf tätig. Von 1952 bis 1954 war er als Hilfsarbeiter, von 1954 bis 1960 als Kohleablader und von 1960 bis 1987 als Transportarbeiter beschäftigt. Nach seinen Angaben erreichte er die angestrebte Qualifikation als Schuhmachermeister wegen der wehrdienstbedingten Schädigung und der Verhältnisse in der DDR nicht. Seit Januar 1988 bezieht der Kläger Altersrente.

Mit seinem Antrag auf Berufsschadensausgleich machte der Kläger geltend, er habe ursprünglich 1949 den Betrieb des Schuhmachers ... ... übernehmen und dort die Meisterprüfung machen sollen. Hierzu sei es aber wegen der Kriegsbeschädigung und des dadurch hervorgerufenen Hör- und Sprachverlustes nicht gekommen.

Das Versorgungsamt holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Medizinaldirektors und Internisten D ... ein. Dieser führte aus, die anerkannte mittelgradige Schwerhörigkeit mit einer MdE von 30 vH dürfte den Kläger nicht daran gehindert haben, die Meisterprüfung des Schuhmacherhandwerks abzulegen, wozu es ja überwiegend auf handwerkliche manuelle Fähigkeiten ankomme, welche der Kläger ohne Schwierigkeiten hätte ausführen können. Trotz der später weiter zunehmenden Schwerhörigkeit bis zur Taubheit habe der Kläger bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet und hätte auch die Tätigkeit eines Schuhmachers bis dahin ausüben können. Diese sei in der damaligen DDR sicherlich nicht besser entlohnt worden als diejenige eines Transportarbeiters, so dass von einer finanziellen Einbuße des Klägers nicht ausgegangen werden könne.

Mit Bescheid vom 30.01.1996 lehnte das Versorgungsamt L den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die mit einer MdE von 30 vH bewertete beidseitige mittelgradige Schwerhörigkeit habe den Kläger nicht daran gehindert, den erlernten Beruf eines Schuhmachers auszuüben bzw. die Meisterprüfung in diesem Beruf abzulegen. Auch die Berufsaufgabe als Schuhmacher, die verschiedenen Berufswechsel und das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben seien nicht schädigungsbedingt erfolgt. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.1996 zurück.

Die hiergegen vor dem Sozialgericht Speyer erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Ur...

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