Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Berücksichtigung von Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung bei der Beitragsberechnung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung eines freiwilligen Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung sind in der sozialen Pflegeversicherung beitragspflichtig.
Orientierungssatz
Die Berücksichtigung des Arbeitsentgelts aus einer geringfügigen Beschäftigung bei der Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (vgl BSG vom 29.11.2006 - B 12 P 2/06 R = SozR 4-3300 § 57 Nr 3).
Normenkette
SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1; SGB V § 240 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, § 249b S. 1; SGB XI § 57 Abs. 4 S. 1
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 11.09.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Beitragsberechnung für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung zu berücksichtigen sind.
Der 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig versichert und bezieht neben seinem Einkommen aus Selbstständigkeit noch Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung (2011: 346,58 € monatlich).
Mit Bescheid vom 08.08.2011 setzte die Beklagte die Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.09.2011 fest. Sie gab an, aus der geringfügigen Beschäftigung seien lediglich Beiträge zur Pflegeversicherung zu zahlen. Bei einem Beitragssatz von 1,95 % errechnete sie als Beitrag zur Pflegeversicherung infolge der geringfügigen Beschäftigung einen Betrag von 6,76 €.
Mit Schreiben vom 17.08.2011 legte der Kläger gegen die Festsetzung des Pflegeversicherungsbeitrags insoweit Widerspruch ein, als seine Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung berücksichtigt wurden.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 24.08.2011 und 13.09.2011 mit, bei freiwillig versicherten Personen seien für die Beitragsberechnung die Beitragsverfahrensgrundsätze des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen zu Grunde zu legen. Danach seien alle Einnahmen des Versicherten beitragspflichtig, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten. Da der Arbeitgeber zur Kranken- und Rentenversicherung gewisse Pauschalbeiträge abführe, würden aus den Einnahmen der geringfügigen Beschäftigung lediglich Beiträge zur Pflegeversicherung fällig.
Mit Bescheid vom 12.12.2011 setzte die Beklagte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der erhöhten gesetzlichen Mindestbemessungsgrenze für hauptberuflich Selbstständige neu fest.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Bescheide der Beklagten vom 08.08.2011 und 12.12.2011 zurück. Nach § 240 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) werde für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) geregelt. Näheres zur Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder würden die "Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler)" regeln. In § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sei festgelegt, dass für die Beitragsbemessung alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zu Grunde zu legen seien. Im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung führe der Arbeitgeber bereits einen Pauschalbetrag für die Krankenversicherung ab, so dass diese Einnahmen bei der Beitragsbemessung im Rahmen der freiwilligen Versicherung für die Krankenversicherung mitberücksichtigt würden. Für die Pflegeversicherung führe der Arbeitgeber jedoch keine Beiträge ab, so dass der freiwillig Versicherte selbst aus dem Entgelt der geringfügigen Beschäftigung Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen müsse.
Dagegen hat der Kläger am 11.02.2012 Klage erhoben.
Durch Urteil vom 11.09.2012 hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten vom 08.08.2011 und 12.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid vom 27.01.2012 insoweit aufgehoben, als dass die Beklagte aus der geringfügigen Beschäftigung des Klägers Beiträge zur Pflegeversicherung erhoben hat.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, nach § 57 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) sei bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung und bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert s...