Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragserhebung aus geringfügig entlohnter Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Für die Beitragserhebung aus einer geringfügig entlohnten Beschäftigung fehlt es bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Pflegeversicherung an einer Rechtsgrundlage.
Tenor
1. Die Bescheide vom 08.08.2011 und 12.12.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 27.01.2012 werden insoweit aufgehoben, als dass die Beklagte aus der geringfügigen Beschäftigung des Klägers Beiträge zur Pflegeversicherung erhoben hat.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage wehrt sich der Kläger gegen die Zahlung von Beiträgen zur Pflegeversicherung aus einer geringfügigen Beschäftigung.
Der 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig versichert und bezieht neben seinem Einkommen aus Selbständigkeit noch Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung (2011: 346,58 € monatlich).
Mit Bescheid vom 08.08.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aus der geringfügigen Beschäftigung lediglich Beiträge zur Pflegeversicherung zu zahlen seien. Sie setzte bei einem Beitragssatz von 1,95 % einen Monatsbeitrag von 6,76 € fest.
Mit Schreiben vom 17.08.2011 widersprach der Kläger der Festsetzung des Pflegeversicherungsbeitrags. Die Festsetzung des Beitrags sei rechtswidrig.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass bei freiwillig versicherten Personen für die Beitragsberechnung die Beitragsverfahrensgrundsätze des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen zugrunde gelegt würden. Demnach seien alle Einnahmen zu verbeitragen, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten. Da der Arbeitgeber zur Kranken- und Rentenversicherung gewisse Pauschalbeiträge abführe, würden aus den Einnahmen der geringfügigen Beschäftigung lediglich Beiträge zur Pflegeversicherung fällig.
Mit Bescheid vom 12.12.2011 informierte die Beklagte den Kläger über die Erhöhung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 08. und 12.12.2011 zurück. Nach § 240 Abs. 1 SGB V werde für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband und der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) geregelt. Näheres zur Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder würden die "einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler)" regeln. In § 3 Abs. 1 der “Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler„ sei festgelegt, dass für die Beitragsbemessung alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen seien. Im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung führe der Arbeitgeber bereits einen Pauschalbetrag für die Krankenversicherung ab, so dass diese Einnahmen bei der Beitragsbemessung im Rahmen der freiwilligen Versicherung für die Krankenversicherung mitberücksichtigt würden. Für die Pflegeversicherung führe der Arbeitgeber jedoch keine Beiträge ab, so dass der freiwillig Versicherte selbst aus dem Entgelt der geringfügigen Beschäftigung Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen müsse.
Hiergegen richtet sich die am 11.02.2012 beim Sozialgericht erhobene Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, nach § 7 Abs. 6 Nr. 4 der Beitragsgrundsätze Selbstzahler sei nur das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung zugrunde zu legen, soweit es sich nicht um eine geringfügig entlohnte Beschäftigung handele. Daraus ergebe sich, dass auch in der Pflegeversicherung keine Beitragsfestsetzung aus den Bezügen einer geringfügigen Beschäftigung zulässig sei. Das Urteil des BSG vom 29.11.2006 - B 12 P 2/06 R - sei durch die Satzung der Beklagten überholt. Zudem verstoße die Beitragsbemessung der Pflegeversicherung aus einer geringfügigen Beschäftigung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 08.08.2011 und 12.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2012 insoweit aufzuheben, als dass Beiträge zur Pflegeversicherung aus der geringfügigen Beschäftigung erhoben worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Das BSG habe in seinem Urteil vom 29.11.2006 ausgeführt, dass die Verweisung auf § 240 SGB V in § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI nicht als statische, sondern als dynamische Verweisung zu sehen seien. Die Ausnahmeregelung des § 249 b SGB V, wonach der Arbeitgeber bei geringfügiger Beschäftigung den Beitrag zur Krankenversicherung zahle, greife für die Pflegeversicherung nicht, da hierfür vom Arbeitgeber keine Pauschalbeiträge erhoben würden. Zudem sei zu beachten, dass die “Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzah...