Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Weitergewährung einer Verletztenrente. MdE-Feststellung. Vorschläge der MdE-Expertengruppe der DGUV bei Gliedmaßenverlusten. kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand. überwiegende Meinung der Fachliteratur. Verlust eines Daumens im Grundgelenk. MdE von 20 vH. Versteifung des Daumengrundgelenks: MdE 15 vH
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschläge der "MdE-Expertengruppe" der DGUV aus dem Jahr 2018 zur MdE-Bewertung bei Gliedmaßenverlusten können (noch) nicht als aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand angesehen werden.
Orientierungssatz
Der Senat geht weiterhin mit der weit überwiegenden Meinung der Fachliteratur und der wohl einheitlichen Rechtsprechung davon aus, dass der Verlust eines Daumens im Grundgelenk eine MdE von 20 vH begründet.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.4.2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Weitergewährung einer Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls streitig.
Die 1961 geborene Klägerin erlitt am 23.11.2011 bei ihrer beruflichen Tätigkeit als Justizangestellte einen Unfall, als sie eine schwere Akte von einem Schrank holte und ihr linker Daumen dabei nach hinten überdehnt wurde. Sie begab sich am 24.11.2011 zu ihrem Hausarzt, der einen Kapselbandabriss am linken Daumen diagnostizierte und den Unfall der Beklagten meldete. Am 20.12.2011 stellte der Durchgangsarzt Dr. C eine ältere ulnare Bandruptur am rechten Daumen (anscheinend eine Seitenverwechslung) fest und verordnete die bereits vorhandene Daumenschiene weiter für 2 Monate. In einem Nachschaubericht vom 27.3.2012 stellte er die Diagnose „Bandruptur Daumen links“.
Am 12.6.2012 stellte sich die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten im Bundes-wehrzentralkrankenhaus in K vor und berichtete über fortbestehende Schmerzen am rechten Daumengrundgelenk. Auf Anraten der der dortigen Ärzte ließ sie am 31.1.2013 in den H -Kliniken in W eine Bandersatzplastik durchführen. Bei einer Nachuntersuchung am 27.3.2013 wurde festgestellt, dass das Gelenk nicht stabil war. Der Orthopäde Dr. K bezeichnete im Nachschaubericht vom 27.6.2013 die linke Hand der Klägerin als gebrauchsunfähig. Die Klägerin stellte sich dann am 18.7.2013 erneut im Bundeswehrzentralkrankenhaus vor, wo ihr zu einer weiteren Bandplastik geraten wurde. Im Bericht vom 18.7.2013 heißt es, erschwerend für die Abgrenzung der Beschwerdesymptomatik liege eine Rhizarthrose mit deutlich nachweisbaren radiologischen Veränderungen im Stadium II bis III nach Eaton-Littler vor. Die Nachoperation mit Refixation des ulnaren Bandapparates wurde am 10.09.2013 durchgeführt. Bei einer Nachuntersuchung am 9.10.2013 stand der Daumen weiterhin in Abduktionsstellung und das ulnare Seitenband zeigte sich weiterhin instabil. Die Klägerin stellte sich daraufhin am 17.1.2014 in der Klinik für Handchirurgie in B vor. Im Bericht vom 30.1.2014 wird mitgeteilt, man plane zum einen wegen der unfallbedingt fortbestehenden Instabilität eine Arthrodese des linken Daumengrundgelenks. Zum anderen bestünden unfallunabhängig Schmerzen über dem linken Daumensattelgelenk, die auf die Rhizarthrose zurückzuführen seien. Diese wolle man gleichzeitig „zu Lasten der Krankenkasse“ mittels Arthroplastik am Daumensattelgelenk behandeln. Die Operation wurde am 2.5.2014 durchgeführt.
Mit Schreiben vom 28.6.2014 beantragte die Klägerin, die Rhizarthrose an ihrer linken Hand als Unfallfolge anzuerkennen. Die Rhizarthrose sei durch die 2 Jahre lange Fehlstellung des Daumens infolge zweier erfolgloser Operationen entstanden. Sie sei Rechtshänderin. Wenn sie zu Arthrosen neigen würde, müssten diese in der rechten Hand auftreten, was aber nicht der Fall sei. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.7.2014 diesen Antrag ab und führte zur Begründung aus, die im Verlaufe der Behandlung der Bandruptur am linken Daumen festgestellte Rhizarthrose sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Unfall vom 23.11.2011 zurückzuführen. Dies sei in den Behandlungsberichten der Klinik für Handchirurgie B bestätigt worden.
Während des anschließenden Widerspruchsverfahrens erstattete der Durchgangsarzt Dr. C einen Zwischenbericht vom 29.8.2014, in dem er die Rhizarthrose als unfallunabhängig bezeichnete. Die Klägerin legte ein Attest ihres Hausarztes Junker vom 1.9.2014 vor, der die Auffassung vertrat, dass die Rhizarthrose an der linken Hand unter Berücksichtigung der Rechtshändigkeit der Patientin eindeutig als Unfallfolge anzusehen sei. Dagegen führte der Unfallchirurg Dr. H in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11.6.2014 aus, eine direkte unfallbedingte Verursachung der Daumensattelgelenksarthrose sei nicht wahrscheinlich. Es fehle unfallnah jeglicher Erstbefund des Daumensattelgelenks, alle Befunde bezögen sich auf das Grundgelenk. Gründe für eine sekundäre Unfallf...