Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Wirksamkeit von Abtretungsbeschränkungen und -ausschlüssen in Abrechnungsordnungen Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigungen. Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Sondergebühr. Berücksichtigung rückwirkender Rechtsänderungen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Anfechtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend. Wird allerdings während des gerichtlichen Verfahrens die einschlägige Rechtsnorm rückwirkend geändert, so ist die rückwirkende Rechtsänderung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu berücksichtigen.

2. Zur Wirksamkeit von Abtretungsbeschränkungen und -ausschlüssen in Abrechnungsordnungen Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigungen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.2018; Aktenzeichen B 6 KA 40/17 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 17.07.2015 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Sondergebühr für das Quartal III/2012 in Höhe von 240,00 €. Zudem begehrt der Kläger die Feststellung der Unzulässigkeit von Zahlungen an das Finanzamt D .

Am 15.12.1992 hatte der Kläger alle Honorarforderungen gegen die Beklagte an seine frühere Ehefrau U S abgetreten. Am 12.09.2008 war über sein Vermögen  das  Insolvenzverfahren  eröffnet  worden.  Am  22.09.2008  hatte U S die Honorarforderungen des Klägers an den beigeladenen Vater des  Klägers H  S  abgetreten. In der Annahme der Unwirksamkeit dieser Abtretung hatte U S die Honorarforderungen am 25.08.2009 an den Kläger zurückabgetreten. Ab 01.04.2009 hatte die Gläubigerversammlung das Vermögen des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit freigegeben. Am 22.06.2011 hatte der Kläger seine Honorarforderungen an den Beigeladenen abgetreten.

Mit Vierteljahresabrechnung für das Quartal II/2012 vom 20.09.2012 setzte die Beklagte von den Honoraransprüchen des Klägers u.a. Zahlungen an das Finanzamt auf Grund von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 13.01.2012 in Höhe von 5.069,58 € und 20.330,67 €, eine Honorarberichtigung “PAR„ in Höhe von 7.689,72 € und eine Sondergebühr II/12 in Höhe von 240,- € ab. Den gegen diese Absetzungen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Den Zahlungen an das Finanzamt stehe die zuvor am 22.06.2011 erfolgte Abtretung von Honoraransprüchen an den Beigeladenen nicht entgegen, denn nach § 8 Satz 2 der Abrechnungsordnung seien Abtretungen von Honorarforderungen gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung nur wirksam, wenn Abtretungsgläubiger ein Kreditinstitut sei. Im Übrigen sei sie (die Beklagte) auf Grund der von der Finanzverwaltung erlassenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung als Drittschuldnerin zur Zahlung verpflichtet gewesen. Die Absetzung wegen der “Honorarberichtigung PAR„ sei Gegenstand eines gesonderten Verfahrens gewesen, das mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2012 abgeschlossen worden sei. Hierzu laufe beim Sozialgericht Mainz unter dem Aktenzeichen S 16 KA 6/13 ein gesondertes Klageverfahren. Die Beklagte sei deshalb gehindert, insoweit in der Sache nochmals zu entscheiden. Die Sondergebühr in Höhe von 240,- € sei auf der Grundlage der als Anlage zu § 3 der Abrechnungsordnung erlassenen Sondergebührenordnung wegen des laufenden Insolvenzverfahrens und wegen der Pfändungen erhoben worden.

Hiergegen hat der Kläger am 09.03.2013 Klage beim Sozialgericht Mainz erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das für die Sondergebühren einbehaltene Honorar für das Quartal II/2012 in Höhe von 240,00 € an ihn auszuzahlen  (1.) festzustellen, dass die Beklagte ohne Rechtsgrund unter Missachtung einer Abtretung in Globalzession Zahlungen an das Finanzamt D in Höhe von 5.069,58 € und 20.330,67 € geleistet hat (2.) sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm dem Grunde nach jeglichen Verzugsschaden, mindestens 1 % Zinsen zuzüglich 3 % Gebühren aus 240,00 € seit dem 05.10.2012 zu ersetzen. Durch Gerichtsbescheid vom 17.07.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Sondergebühr sei rechtmäßig erhoben worden (Hinweis auf LSG Rheinland-Pfalz 20.10.2011 - L 5 KA 13/11, 20.12.2013 - L 5 KA 4/11, 02.05.2013 - L 7 KA 41/12 und 21.08.2014 - L 7 KA 35/13 sowie BSG 05.06.2013 - B 6 KA 29/13 B). Der Antrag festzustellen, dass die Beklagte ohne Rechtsgrund Zahlungen an das Finanzamt geleistet habe, sei jedenfalls unbegründet. Es könne offen bleiben, ob der Kläger ein besonderes Feststellungsinteresse geltend machen könne. Die Zahlung an das Finanzamt D auf Grundlage der Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei jedenfalls rechtmäßig gewesen. Gemäß § 8 Satz 2 der Abrechnungsordnung sei die Abtretung von Honorarforderungen ihr gegenüber nur wirksam, wenn ein Kreditinstitut Abtretungsgläubiger  sei....

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