Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Familienversicherung. Verlängerung. Absolvierung eines anerkannten Freiwilligendienstes. Verzögerung der Ausbildung. ursächlicher Zusammenhang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verlängerung der Familienversicherung nach § 10 SGB 5 über das 25. Lebensjahr hinaus für die Dauer von höchstens zwölf Monaten wegen der Absolvierung eines Freiwilligendienstes gemäß § 10 Abs 2 Nr 3 SGB 5 in der ab dem 1.7.2011 geltenden Fassung setzt nicht voraus, dass das Kind den Dienst zumindest teilweise nach dem 30.6.2011 zurückgelegt hat.

2. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Absolvierung des Dienstes und der Verzögerung des Abschlusses der Ausbildung ist gegeben, wenn die Ableistung des Dienstes zumindest eine wesentliche Mitursache für die Verzögerung der Ausbildung ist.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 3.7.2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 im Zeitraum vom 13.8.2013 bis zum 12.8.2014 familienversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung war. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1 deren außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu 4/5 zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Beigeladene zu 1 über den 12.8.2013 hinaus bis zum 12.11.2014 in der Familienversicherung des Klägers kranken- und pflegeversichert ist.

Der am 1988 geborene Beigeladene zu 1 ist Sohn des bei der Beklagten krankenversicherten Klägers. Der Beigeladene zu 1 absolvierte vom 15.8.2008 bis zum 31.10.2009 einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst “Weltwärts„ in P . Zuvor hatte er ab dem 25.1.2008 an einer Vorbereitungsphase für diesen Dienst teilgenommen, welche einige Seminare und Vorbereitungstreffen, teilweise am Wochenende, in einem zeitlichen Umfang von insgesamt 41 Tagen beinhaltet hatte. Mit Schreiben vom 21.12.2009 bestätigte das Bundesamt für den Zivildienst dem Beigeladenen zu 1, dass nach der unentgeltlichen Ableistung des mindestens elfmonatigen “anderen Dienstes„ im Ausland bei einem anerkannten Träger die Zivildienstpflicht nach § 14b Abs 2 Zivildienstgesetz (ZDG) erloschen sei. Nach Beendigung des Freiwilligendienstes hielt sich der Beigeladene zu 1 bis Juli 2012 im Ausland auf, ohne eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen; in dieser Zeit war er über eine Auslandskrankenversicherung privat krankenversichert. Am 1.9.2012 nahm der Beigeladene zu 1 das Studium des Maschinenbaus an der Hochschule E auf (Bachelorstudiengang mit voraussichtlichem Abschluss im März 2017). Ab dem 1.9.2012 war der Beigeladene zu 1 im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 2 pflegeversichert.

Mit Bescheid vom 21.6.2013 teilte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1 mit, dessen Familienversicherung werde mit Vollendung des 25. Lebensjahres zum 12.8.2013 enden; eine Verlängerung dieses Zeitraums sei nicht möglich; da der Beigeladene zu 1 nicht unmittelbar im Anschluss an den Freiwilligendienst seine Ausbildung fortgesetzt habe, sei dieser Dienst nicht ausschließlich für die Unterbrechung der Berufsausbildung verantwortlich. Der Beigeladene zu 1 wurde ab dem 13.8.2013 von der Beklagten in die beitragspflichtige Krankenversicherung der Studenten übernommen.

Zur Begründung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21.6.2013 machte der Kläger geltend, das Gesetz fordere nicht die Fortsetzung der Ausbildung direkt im Anschluss an den Freiwilligendienst als Voraussetzung der Familienversicherung über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus. Durch Widerspruchsbescheid vom 19.12.2013 wies die Beklagte, auch im Namen der Beigeladenen zu 2, den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus: Werde die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht unterbrochen oder verzögert, bestehe die Familienversicherung nach § 10 Abs 2 Nr 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) während eines der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraums über das 25. Lebensjahr hinaus im Umfang der tatsächlichen Dauer des Dienstes, höchstens der Dauer von neun Monaten weiter. Zwischen der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung und der Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht müsse jedoch ein kausaler Zusammenhang bestehen. Dieser sei auch gegeben, wenn die Ausbildungsabschnitte die Zeit der Dienstpflicht zwar nicht unmittelbar einrahmten, aber eine sog begrenzte Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten vorliege (Hinweis auf Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 8.11.2005). Da der Beigeladene zu 1 nach seinem Freiwilligendienst eine private “Auszeit„ genommen und das Studium erst knapp drei Jahre später begonnen habe, habe er jedoch die Ausbildung weder unterbrochen noch zum nächstmöglichen Zeitpu...

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