Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialdatenschutzrecht. Datenschutz-Grundverordnung. Recht auf Löschung. kein Anspruch auf Löschung von Daten (hier ua einer Videoaufnahme und einer ärztlichen Stellungnahme), welche als Nachweis für einen Leistungsmissbrauch dienen. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung. Gesetzesbindung der Verbandsgemeindeverwaltung. ernstliche Zweifel an Feststellungen der Versorgungsbehörde. Verdacht einer unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Festhaltung von Beobachtungen. allgemeines Persönlichkeitsrecht. Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und -verarbeitung bei späterer unrechtmäßiger Verwendung. gesetzliche Unfallversicherung. Datenverarbeitung durch den Unfallversicherungsträger. Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung. Betrugsverdacht. Beauftragung einer Detektei zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse. eingeschränkte Übermittlungsbefugnis. Gutachten iS von § 200 Abs 2 SGB 7
Orientierungssatz
1. Nach Art 6 Abs 1 UAbs 1 Buchst c EUV 2016/679 ist die Verarbeitung personenbezogener Daten ua dann rechtmäßig, soweit sie "zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich (ist), der der Verantwortliche unterliegt". Das richtet sich - sofern das Unionsrecht nicht selbst eine Regelung trifft (vgl Art 6 Abs 3 S 1 Buchst a EUV 2016/679) - gemäß Art 6 Abs 3 S 1 Buchst b EUV 2016/679 nach dem Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt (vgl BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 31/17 R = BSGE 127, 181 = SozR 4-2500 § 284 Nr 4 RdNr 18), hier also nach den sozialdatenschutzrechtlichen Verarbeitungsbefugnissen des SGB in der für die einzelnen Verarbeitungsstadien jeweils geltenden Fassung (vgl BSG vom 14.5.2020 - B 14 AS 7/19 R = BSGE 130, 132 = SozR 4-7645 Art 17 Nr 2 RdNr 19).
2. Die Verbandsgemeindeverwaltung ist als Trägerin öffentlicher Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden, es ist ihre Aufgabe, die Ausnahme nach der StVO unter Beachtung der rechtlichen Gegebenheiten zu erteilen. Wenn sie erkennt, dass die Feststellung der Versorgungsverwaltung erheblichen Zweifeln unterliegt, ist sie gehalten, diese in Kenntnis zu setzen und eine Überprüfung der Voraussetzungen zu veranlassen. Anderenfalls würde sie als Straßenverkehrsbehörde sehenden Auges die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Versorgungsverwaltung perpetuieren.
3. Ein Verdacht, der eine unrechtmäßige Inanspruchnahme von Sozialleistungen bis zur Möglichkeit eines bewussten Betruges impliziert, darf seitens der Verbandsgemeinde zum Anlass genommen werden, etwaige Beobachtungen festzuhalten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen muss hier hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen.
4. Auch wenn eine vorherige rechtswidrige Erhebung, Übermittlung oder Speicherung eine spätere Verwendung möglicherweise rechtswidrig machen kann, ist kein Grund ersichtlich, warum eine etwaige spätere unrechtmäßige Verwendung dazu führen sollte, dass frühere und für sich genommene rechtmäßige Datenerhebungen oder -verarbeitungen durch eine spätere nachträglich und gewissermaßen rückwirkend rechtswidrig werden sollten. Vielmehr ist die spätere Verwendung für sich genommen zu beurteilen.
5. Angesichts eines bestehenden Verdachts auf einen Sozialleistungsbetrug mit Erschleichung von Leistungen in Millionenhöhe ist davon auszugehen, dass die Beauftragung der Detektei mit dem Ziel der Gewinnung weiterer Erkenntnisse über den Gesundheitszustand des Betroffenen, wie er sich Dritten nach außen dargestellt hat, durch § 199 Abs 1 S 2 Nr 2 und 4 SGB 7 gedeckt ist. Dass sich die Beklagte einer Detektei als privater Verwaltungshelfer bedient hat, ist nicht zu beanstanden, da sie selbst weder über die Ressourcen noch die Erfahrung verfügt, derartige Ermittlungen durchzuführen. Der damit verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist durch den verfolgten Zweck gedeckt.
6. Der Gesetzgeber hatte bei der Formulierung in § 200 Abs 2 SGB 7 Gutachten im klassischen Wortsinn vor Augen. Nur auf solche umfassenden Gutachten kann sich (in Abgrenzung zu einer ärztlichen Stellungnahme) auch das in § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB 7 normierte Auswahlrecht beziehen. Denn es wäre mit einer geordneten und funktionsfähigen Verwaltungspraxis schwerlich zu vereinbaren, wenn die Berufsgenossenschaften bei jeder Einschaltung eines externen Arztes, etwa zur Klärung einer Detailfrage, zur Beratung über das weitere Vorgehen oder zur Bewertung der Schlüssigkeit eines anderweitig eingeholten Gutachtens, den Versicherten beteiligen und ihm eine Auswahl unter mehreren hierfür geeigneten Ärzten ermöglichen müssten.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 20.09.2021 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Löschung von Sozialdaten.
Zwischen den Beteiligten sind und waren verschiedene sozialgerichtliche Verfahren anhängig. Streitig ist, ob der Kläger Gesundheitsschäden als Folge eines am 22.03.2004 erlittenen A...