Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 13.08.1975; Aktenzeichen S 4 Ar 18/75) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13. August 1975 abgeändert:
Der Bescheid des Arbeitsamtes Bad Kreuznach vom 18. Oktober 1974 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 1975 wird abgeändert:
Auf weitere Klage wird der Bescheid des Arbeitsamtes Bad Kreuznach vom 10. September 1975 abgeändert:
Die Bescheide werden aufgehoben, soweit ein weitergehender Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 76,– DM monatlich abgelehnt worden ist. Insoweit wird die Beklagte zur Zahlung an den Kläger verurteilt.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der ihm in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger einen Anspruch auf höhere Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 1. September 1974 bis 31. August 1975.
Der Kläger ist am … 1958 geboren. Er ist querschnittsgelähmt und leidet an einer Blasen- und Mastdarminkontinenz. Seine linke Niere ist entfernt worden. Wegen einer Stauung der rechten Niere mußte eine künstliche Blase angelegt werden. Der Kläger wohnt bei seinen Eltern; seine Mutter betreut ihn pflegerisch. Er hat vier in den Jahren 1959, 1960, 1963 und 1964 geborene Geschwister. Sein Vater ist Pfarrer bei den D.-Anstalten in B. K.
Im August 1974 bezog er ein Arbeitsentgelt von brutto 4.333,36 DM und von netto 3.627,08 DM. Außerdem bezog er Kindergeld in Höhe von 215 DM monatlich. Für seine Dienstwohnung hatte er 475 DM monatlich zu entrichten. Die Mutter des Klägers ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses, in dem sie 5 Wohnungen vermietet hat. Die Mieteinnahmen beliefen sich auf 775,83 DM monatlich. Die laufenden Belastungen des Hausbesitzes ohne Berücksichtigung eines Erhaltungsaufwandes machten im Monat 381,03 DM aus.
Am 15. August 1974 hat der Kläger beim Arbeitsamt Bad Kreuznach beantragt, ihm Berufsausbildungsbeihilfe für die Teilnahme an einem Grundausbildungslehrgang bei den D.-Anstalten in der Zeit vom 1. September 1974 bis zum 31. August 1975 zu bewilligen.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1974 hat das Arbeitsamt Bad Kreuznach diesem Antrag in Höhe von 886 DM monatlich stattgegeben. Diese Beihilfe ist wie folgt errechnet worden: Bedarf für den Lebensunterhalt 305 DM zuzüglich Bedarf für die Ausbildung, nämlich 15 DM Lernmittel, 15 DM Arbeitskleidung und 737,20 DM Ausbildungsaufwand, abzüglich anzurechnendes Einkommen der Eltern mit 186,88 DM. Das anzurechnende Einkommen ergibt sich aus dem Nettoarbeitsentgelt des Vaters für den Monat August 1974 zuzüglich Kindergeld und zuzüglich Mieteinnahmen in Höhe von 344,80 DM, abzüglich Freibeträge in Höhe von Insgesamt 4.000 DM. Die Mieteinnahmen in Höhe von 344,80 DM errechnen sich aus den Mietzahlungen abzüglich der laufenden Belastungen ohne Kosten für Erhaltungsaufwand und abzüglich einer Pauschale von 50 DM Kosten für Erhaltungsaufwand.
Am 31. Oktober 1974 hat der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt. Zu Unrecht werde auf den Bedarf Einkommen seiner Eltern angerechnet. Seine Eltern seien im Jahre 1973 nur mit einem Betrag von 32.404 DM zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Miete für die Dienstwohnung sei vom Einkommen abzusetzen. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien viel zu hoch angesetzt, weil die Kosten für den Erhaltungsaufwand den Pauschalbetrag von 50 DM weit überstiegen hätten.
Mit Bescheid vom 4. Februar 1975 hat das Arbeitsamt den Widerspruch zurückgewiesen. Die Vorschriften der Anordnung ihres Verwaltungsrates über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 2. Juli 1970 (AReha) und die hier zu erlassenen Dienstanweisungen seien maßgeblich. Zwar habe die Anordnung ihren Rechtscharakter mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation am 1. Oktober 1974 verloren, doch seien die Vorschriften bis zum Erlaß einer neuen Anordnung nach § 58 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) im Interesse der Rechtssicherheit als Verwaltungsanweisung weiterhin zu beachten. Nach § 16 AReha sei bei minderjährigen Behinderten das Einkommen der zum Unterhalt Verpflichteten anzurechnen, wenn die Nichtanrechnung offenkundig ungerechtfertigt wäre. Nach einer Dienstanweisung gelte dies bei einem Einkommen, das monatlich 4.000 DM netto übersteige. Nach § 22 AReha seien Einkommen in diesem Sinne alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit oder entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfange; mithin sei nicht von dem steuerlichen Einkommensbegriff auszugehen. Die Kosten für die Dienstwohnung könnten bei einem Freibetrag von 4.000 DM nicht gesondert berücksichtigt werden. Als Erhaltungsaufwand für das Miethaus sei ein Pauschbetrag von 50 DM anzusetzen.
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