Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Tod des Leistungsberechtigten. keine Übernahme ungedeckter Heimkosten durch den Sozialhilfeträger. Begrenzung des Schuldbeitritts durch den Sozialhilfebescheid. Nichtanwendbarkeit des § 19 Abs 6 SGB 12 bei Tod des Leistungsberechtigten nach bestandskräftiger Leistungsbewilligung und Kenntnis des Einrichtungsträgers von der Leistungshöhe
Orientierungssatz
1. In einem Bescheid über die Bewilligung von Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme von Heimpflegekosten ist zwar zugleich die Erklärung eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers zu den vom Hilfeempfänger gegenüber dem Träger der Pflegeeinrichtung aus dem zivilrechtlichen Heimvertrag geschuldeten Zahlungen zu sehen; der Schuldbeitritt besteht aber nur in Höhe der dem Hilfeempfänger bewilligten Leistungen.
2. Jedenfalls für Fälle, in denen dem Hilfebedürftigen bereits zu Lebzeiten bindend Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung bewilligt wurden und die Einrichtung Kenntnis über die Höhe der Leistungen erlangt hat, ist der Anwendungsbereich von § 19 Abs 6 SGB 12 nicht mehr eröffnet.
Normenkette
SGB XII § 19 Abs. 6; SGG § 70 Nr. 3, § 75 Abs. 2; BSHG § 28 Abs. 2, § 68; BGB § 1936 Abs. 1 S. 1; GVG § 17a Abs. 4; ZPO § 780 Abs. 2; AGSGG Rheinland-Pfalz § 2; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10.04.2012 - S 17 SO 2/10 - wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung weiterer Heimkosten für den Zeitraum 25.03.2004 bis 30.09.2004.
Die Klägerin ist Trägerin der Alten- und Pflegeeinrichtung P Residenz B (Pflegeheim) und Rechtsnachfolgerin der P gGmbH.
Die 1924 geborene, verwitwete E T (Hilfeempfängerin) wurde am 25.03.2004 in das Pflegeheim der Klägerin aufgenommen. Grundlage war der Wohn- und Dienstleistungsvertrag vom 25.03.2004, wonach die Hilfeempfängerin verpflichtet war, einen täglichen Pflegesatz je nach Pflegestufe, ein Entgelt für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionsaufwendungen zu zahlen. Die Höhe der Entgelte richtete sich nach den Regelungen, die zwischen den Heimträgerverbänden und den öffentlich-rechtlichen Leistungskostenträgern jeweils vereinbart waren. Über die Heimaufnahme der Hilfeempfängerin wurde der Beklagte am 07.04.2004 von der Klägerin informiert.
Die Hilfeempfängerin war bei der Pflegekasse der KKH Karlsruhe (KKH) pflegeversichert. Die KKH gewährte ihr ab dem 25.03.2004 Leistungen der vollstationären Pflege nach der Pflegestufe II. Die Hilfeempfängerin bezog eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 797,82 € und eine Betriebsrente in Höhe von 125,60 €. Über weiteres Einkommen verfügte sie nicht; verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Die Hilfeempfängerin hatte ihrer Tochter, G D (ab 2007 aufgrund Eheschließung: S), eine Vollmacht zur Erledigung ihrer geschäftlichen Angelegenheiten erteilt. Mit Beschluss vom 13.09.2004 wurde diese vom Amtsgericht Schwetzingen zur Betreuerin der Hilfeempfängerin bestellt. Am 03.08.2004 erfolgte ein Telefonat zwischen dem Beklagten und Frau D. Ausweislich des hierüber gefertigten Vermerks des Beklagten teilte Frau D mit, dass die Renteneinkünfte der Hilfeempfängerin bislang nicht an die Einrichtung überwiesen worden seien, weil das Geld "für wichtigere Dinge gebraucht" werde - "Miete/Renovierung/Arzneimittel etc". Dies nahm der Beklagte zum Anlass, die Rentenansprüche der Hilfeempfängerin auf sich überzuleiten: Die Betriebsrente wurde ab Juli 2004 und die Hinterbliebenenrente ab Oktober 2004 an den Beklagten ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 06.08.2004 bewilligte der Beklagte der Hilfeempfängerin für die Zeit ab dem 25.03.2004 Hilfe zur Pflege nach § 68 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in der Fassung des Gesetzes vom 19.06.2001 (BGBl I, 1046; im Folgenden: aF). Hierbei war als Bedarf ein Heimgesamtentgelt von täglich 88,52 €, vermindert um eine monatliche Direktleistung der Pflegekasse von 1.279,00 €, außerdem ein Grundbarbetrag zur persönlichen Verfügung von 89,00 € monatlich und ein Zusatzbarbetrag von 45,00 € monatlich angesetzt worden. Als Einkommen abgesetzt wurden die Hinterbliebenenrente von monatlich 797,82 € und die Betriebsrente von monatlich 125,60 €. Das tägliche Heimentgelt werde jeweils entsprechend der aktuellen Pflegesatzvereinbarung mit den Pflegekassen und den überörtlichen Trägern angepasst.
Mit Schreiben vom 10.03.2005 übersandte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung für den Zeitraum 25.03.2004 bis 31.12.2004 und machte eine Gesamtforderung von 6.875,20 € geltend, die der Beklagte auch beglich. Aus der Rechnung ergibt sich, dass die Klägerin Renteneinkünfte der Hilfeempfängerin in folgender Höhe anspruchsmindernd berücksichtigt hatte:
|
März 2004 |
208,51 € |
April bis Juli 2004 |
923,42 € x 4 Monate = 3.693,68 € |
August bis September 2004 |
797,82 € x 2 Monate = 1.595,... |