Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlbarmachung von Rente aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Entgeltzahlung an den Judenrat. Leistungen aus dem Zwangsarbeiterfonds
Leitsatz (amtlich)
1. Gegen Entgelt ausgeübt ist eine Beschäftigung in einem Ghetto iS des § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b ZRBG auch dann, wenn das Entgelt nicht dem Beschäftigten selbst, sondern über deutsche Verbindungsstellen, zB das Arbeitsamt, an den Judenrat gezahlt wurde und hierdurch die Versorgung des Ghettos und seiner Bewohner sichergestellt war.
2. Steht fest, dass eine Beschäftigung in einem Ghetto die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 und 2 ZRBG erfüllt, schließen Leistungen aus dem Zwangsarbeiterfonds die Berücksichtigung der rentenrechtlichen Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht von vornherein aus.
Orientierungssatz
1. Mit dem 13. Senat des BSG (Urteil vom 7.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R = BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1) geht der erkennende Senat davon aus, dass die Vorschriften des ZRBG, die seit dem 1.7.1997 in Kraft sind, an die bisherige "Ghetto-Rechtsprechung" des BSG anknüpfen und der anspruchsberechtigte Personenkreis durch die neue Gesetzeslage nicht erweitert worden ist. Demzufolge ist der erkennende Senat der Auffassung, dass das ZRBG keine eigene Rechtsgrundlage für einen eigenständigen Entschädigungsanspruch bei einer Ghetto-Beschäftigung begründet (andere Auffassung BSG vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R = SozR 4-5075 § 1 Nr 3).
2. Ein Ghetto iS des § 1 ZRBG liegt bei solchen Wohnbezirken vor, in denen Juden durch eine Aufenthaltsbeschränkung vollständig und nachhaltig durch Androhung schwerster Strafen und Gewaltmaßnahmen von der Umwelt abgesondert wurden und sich in einem Gebiet befanden, das rechtlich als vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert zu qualifizieren ist (vgl BSG vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R aaO).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 05.10.2006 und der Bescheid der Beklagten vom 28.07.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2004 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Regelaltersrente ab Juni 1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten im Ghetto K..
Der am … 1922 in K ., P., geborene Kläger ist jüdischer Abstammung und als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Seit Juni 1949 lebt er in F. und bezieht eine Alterspension vom f. Rentenversicherungsträger, der Rentenversicherungszeiten ab dem 01.01.1948 zu Grunde liegen.
Im Juni 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten Altersrente unter Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten im Ghetto K. bzw. Ersatzzeiten. Hierzu gab er an, von März 1941 bis März 1943 im Ghetto K. gearbeitet zu haben. Er habe Erdarbeiten durchgeführt und Waggons mit Zement beladen müssen. Außerdem habe er in der Werkstatt der Deutschen Wehrmachtspost in der Elektromechanik gearbeitet. Er habe jeden Tag zur Arbeit das Ghetto unter Eskorte verlassen und sei abends wieder ins Ghetto zurückgekehrt. Er sei bei einer Razzia verhaftet und vom Arbeitskommando einberufen worden. Ihm sei vom Arbeitsamt eine Arbeitskarte ausgestellt worden, sodass er im Ghetto verbleiben konnte. Die Tätigkeit sei entlohnt worden. Der Lohn sei an den Judenrat ausgezahlt worden. Die einzige Nahrung, die er erhalten habe, sei ein Teller Suppe und eine Ration Brot gewesen.
Aus der beigezogenen Entschädigungsakte des Klägers ergibt sich, dass dieser seit dem 18.11.1939 den Judenstern tragen musste. In dem Entschädigungsantrag des Klägers vom Dezember 1956 ist angegeben, dass er sich von März 1941 bis März 1943 im Ghetto K., von März 1943 bis August 1944 im Konzentrationslager (KZ) P. und von August 1944 bis zur Befreiung im Mai 1945 im KZ M. aufgehalten habe. In seinen eidesstattlichen Versicherungen vom 10.01.1957 und 28.09.1961 gab der Kläger an, er sei in K. geboren und habe nach der Mittelschule zunächst von 1935 bis 1937 die Fachschule für Elektrotechnik, danach bis 1939 die Technische Hochschule, Abteilung Elektrochemie, besucht. Im ärztlichen Gutachten vom April 1960 ist zu dem beruflichen Werdegang des Klägers vermerkt: Er habe auf Grund seiner Vorbildung im Ghetto K. als Elektromechaniker bei der Deutschen Wehrmachtspost gearbeitet und sei nach der Liquidierung des Ghettos K. (Ende 1941) im KZ P. interniert und Anfang 1943 nach M. deportiert worden. Dort sei er im Mai 1945 befreit worden.
In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 11.01.1957 gab der am 07.07.1915 geborene R. R . an, er sei mit dem Kläger von März 1941 bis März 1943 zusammen im Ghetto K. und von März 1943 bis August 1944 im Lager P. und anschließend bis Mai 1945 im KZ M. gewesen. Der am 26.11.1920 geborene J. K. bestätigte in sei...