Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. hohe Lösungsmittelexposition in früheren Jahren. schwelender Autoimmunprozess. Nierenerkrankung
Orientierungssatz
Zur Anerkennung einer Nierenerkrankung eines Bodenlegers und späteren Raumausstatters, der in früheren Jahren einer hohen Lösungsmittelexposition (Benzol und seine Homologe), in den späteren Jahren lediglich einer zeitweilig übergrenzwertigen Lösungsmittelexposition ausgesetzt war, als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 1303.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die beim Kläger vorliegende Nierenerkrankung die Voraussetzung einer Berufskrankheit (BK) erfüllt.
Der 1940 geborene Kläger absolvierte von 1956 bis 1958 eine Lehre als Polsterer und Tapezierer. Anschließend war er bis 1967 in diesem Beruf und als Bodenleger bei der Firma B in E und danach zwei Jahre als Dekorateur (Gardinen und Teppiche) in einem Kaufhaus tätig. Im Januar 1969 machte er sich als Raumausstatter selbständig; als Selbständiger war er bei der Beklagten kraft Satzung versichert. Im Januar 1991 gab er seine selbständige Tätigkeit auf. Danach war er bis 1993 in seinem früheren, von seiner Tochter übernommenen Betrieb nur noch sporadisch in Aufsichtsfunktionen tätig.
Anlässlich eines Krankenhausaufenthalts vom 6. bis 16.7.1993 wurde beim Kläger eine Niereninsuffizienz unklarer Genese diagnostiziert. Diese stationäre Aufnahme erfolgte aufgrund einer drei Wochen zuvor beim Hausarzt festgestellten Erhöhung von Nierenretentionswerten. Wegen der Nierenerkrankung wurde seit 24.11.1993 eine Dialysebehandlung notwendig. Im August 1996 wurde eine allogene Nierentransplantation durchgeführt.
Im Oktober 1993 zeigte der Kläger der Beklagten diese Erkrankung als BK an. Er führte sie auf die jahrelange Einwirkung von Lösemitteln zurück. Diesbezüglich nannte er drei Ereignisse, an die er sich besonders erinnerte: Nach der Sanierung eines Treppenhauses in einer amerikanischen Militäranlage in einem Zeitraum von 7 bis 8 Wochen sei es ca. ein halbes Jahr später zu einem Hautausschlag gekommen. Ferner habe die Verwendung von Neopreneklebern bei der Befestigung von Dämmplatten bei einem Auftrag in einer Schulturnhalle infolge schlechter Belüftung zu gesundheitlichen Belastungen geführt. Schließlich sei der Einsatz von Neoprene-Klebern in den Jahren 1958 bis 1967 bei Bodenverlegungsarbeiten mit einer erheblichen schädigenden Exposition verbunden gewesen.
Nach Befragung ihres Technischen Aufsichtsdienstes -- TAD -- holte die Beklagte eine Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes des Landes Rheinland-Pfalz Dr N vom September 1994 ein. Dieser führte aus, die Nierenerkrankung sei für eine Lösungsmitteleinwirkung nicht typisch und lasse sich eher mit einem Lupus-erythematodes-discoides-Leiden in Verbindung bringen; "gegebenenfalls" solle eine arbeitsmedizinisch-toxikologische Begutachtung veranlasst werden.
Daraufhin holte die Beklagte ein Gutachten von Prof Dr Dr B vom Institut für Arbeitsphysiologie der Universität D ein. Dieser hielt in seinem Gutachten vom Juli 1995 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigenden beruflichen Einwirkungen und der Nierenerkrankung für nicht wahrscheinlich. Er nahm beim Kläger einen systemischen Lupus erythematodes (SLE) -- eine Autoimmunerkrankung -- als Ursache der Niereninsuffizienz an. Dem stimmte Dr N zu (Stellungnahme vom November 1995).
Unter dem 6.3.1996 erließ die Beklagte einen ablehnenden Bescheid. Darin hieß es: Die vorgetragenen Beschwerden seien nicht Folge einer BK nach Nr 1302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Entschädigungsansprüche bestünden daher nicht. Zur Begründung hieß es, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Nierenerkrankung sei nicht wahrscheinlich.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe neben den von Prof Dr Dr B berücksichtigten schädigenden Einwirkungen auch mit bitumenhaltigen Klebern gearbeitet. Der TAD der Beklagten wies darauf hin (Stellungnahme vom Juni 1996), dass sich bezüglich der nieren- und hautschädigenden Wirkung bitumenhaltige Kleber nicht von den übrigen in der gutachtlichen Beurteilung berücksichtigten Klebern unterschieden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.9.1996 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Das SG hat die hiergegen erhobene Klage (Az S 6 U 439/96) unter diesem Aktenzeichen mit dem bereits anhängigen Verfahren S 6 U 369/94, das BKen Nrn 2108 (Erkrankung der Lendenwirbelsäule) und 2105 (Kniegelenkserkrankung) betroffen hat, verbunden.
Hinsichtlich der Nierenerkrankung hat das SG eine Stellungnahme von Prof Dr Dr B vom Januar 1997 eingeholt. Dessen Diagnose einer SLE-Erkrankung hat die behandelnde Ärztin des Klägers, Dr S von der Medizinischen Klinik III des Westpfalz-Klinikums K, angezweifelt (vom Kläger vorgelegte Stellungnahme vom Februar 1997). Im Anschluss daran hat Prof Dr van der W (mit Dr B) von der V. Medizinischen Klinik der Fakultät für Klinische Medizin M im November 1997 ein Gutachten verfasst. Im...