Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kieferorthopädische Behandlung. Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen. Einführung eines Indikationssystems mit Punktbewertung ist rechtmäßig

 

Orientierungssatz

Dass der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in der KFO-Richtlinie vom 5.11.1993 abweichend zur gesetzlichen Vorgabe in § 29 Abs 4 SGB 5 keine Indikationsgruppen bestimmt, sondern ein Indikationssystem mit einer Punktbewertung verschiedener Faktoren eingeführt hat, ist nicht zu beanstanden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.03.2003; Aktenzeichen B 1 KR 17/01 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Leistungspflicht der Beklagten für eine kieferorthopädische Behandlung.

Die 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die von der Klägerin unter Vorlage eines Behandlungsplanes der Zahnärzte Dr. V und A vom 24.4.1998 beantragte Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7.7.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1998 ab, nachdem im Gutachterverfahren nach der Anlage 6 zum Bundesmantelvertrag Zahnärzte (BMV-Z) der Kieferorthopäde Dr. A eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse verneint hatte (Stellungnahme vom 20.5.1998).

Auf die hiergegen am 10.12.1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier (SG) die Beklagte nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme des Dr. V vom 1.3.1999 mit Gerichtsbescheid vom 27.4.1999 verurteilt, die Kosten der kieferorthopädischen Behandlung entsprechend dem Behandlungsplan der Zahnärzte Dr. V und A, T, vom 24.4.1998 nach den gesetzlichen Vorschriften zu erstatten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, bei der Klägerin lägen die Anspruchsvoraussetzungen der kieferorthopädischen Behandlung nach §§ 28, 29 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) vor, wie sich aus dem Behandlungsplan sowie der ergänzenden Stellungnahme von Dr. V vom 1.3.1999 ergebe. Die von der Beklagten fälschlich als "Gutachten" bezeichnete Stellungnahme von Dr. A sei nicht geeignet, dieses Behandlungskonzept in Frage zu stellen. Sie erschöpfe sich in der apodiktischen Behauptung, eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht gegeben, ohne dies argumentativ zu begründen.

Gegen den am 29.4.1999 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 28.5.1999 Berufung eingelegt.

Gestützt auf ärztliche Stellungnahmen von Dr. A vom 25.5.1999 sowie des Referenten für Kieferorthopädie der Kassenzahnärztlichen Vereinigung K-T Dr. K vom 24.6.1999 ist sie weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer kieferorthopädischen Behandlung nach § 29 SGB V nicht gegeben seien.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.4.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat von Amts wegen ein fachzahnärztliches Gutachten vom Kieferorthopäden Dr. G vom 26.4.2000 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, die vom behandelnden Zahnarzt Dr. V gegenüber dem SG abgegebene Stellungnahme vom 1.3.1999 sei nicht auf der Grundlage des Indikationssystems der vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen aufgestellten Richtlinie für die kieferorthopädische Behandlung vom 5.11.1993 (KFO-Richtlinie) erfolgt. Der Behandler habe vielmehr eine Bewertung nach dem Schwierigkeitsgrad der Behandlung vorgenommen, welche allein für die Höhe der Vergütung durch die Krankenkasse Bedeutung habe. Nach dem bei der Klägerin erhobenen Untersuchungsbefund erreiche die Bewertung nach dem Indikationssystem der KFO-Richtlinie weder bei der Umformung der Kiefer noch bei der Einstufung zur Einstellung der Bisslage den erforderlichen Punktewert.

Hiergegen wendet die Klägerin ein, das Gutachten sei nicht mit der gebotenen Objektivität erstellt worden; offensichtlich übe der Sachverständige eine ständige Gutachtertätigkeit aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie ist nicht verpflichtet, die Kosten der kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin gemäß dem Behandlungsplan der Zahnärzte Dr. V und A vom 24.4.1998 zu übernehmen.

Nach § 29 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf kieferorthopädische Behandlung, sofern in den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten medizinischen Indikationsgruppen (§ 29 Abs 4 SGB V) eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Die Gruppenzugehörigkeit ist Tatbestandsmerkmal; fehlt sie, kann der Versicherte im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung weder kieferorthopädische Behandlung noch Kostenerstattung beanspruchen (Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversiche...

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