Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Entstehung und Höhe. Berücksichtigung von anwaltlichen Tätigkeiten. zeitlich beschränkte Gewährung von Prozesskostenhilfe. Abstellen auf den Beiordnungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
Wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss hinsichtlich ihres Wirksamwerdens zeitlich beschränkt, sind für die Bemessung der Verfahrensgebühr nur die anwaltlichen Tätigkeiten von Bedeutung, die ab dem Beiordnungszeitpunkt vorgenommen werden.
Orientierungssatz
Zu den Voraussetzungen des Entstehens und der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV.
Normenkette
RVG § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1, § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, 4 S. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 1, 4, § 15 Abs. 1; RVG-VV Nr. 3102; SGG § 73a Abs. 1 S. 4; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3, § 117 Abs. 2 S. 1
Tenor
Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. März 2016 sowie der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Dessau-Roßlau in dem Verfahren S 14 AS 1403/12 vom 28. Oktober 2014 abgeändert.
Die aus der Prozesskostenhilfe an die Erinnerungsführerin zu erstattende Vergütung wird auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 710,43 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (Aktenzeichen: S 14 AS 1403/12), in welchem die Erinnerungsführerin, Erinnerungsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) die Kläger vertreten und das SG Prozesskostenhilfe erst ab einem bestimmten Stichtag bewilligt hatte.
Die fünf Kläger (Mutter und vier Kinder) standen zunächst mit dem Ehemann der Klägerin zu 1) als Bedarfsgemeinschaft beim Jobcenter … (Beklagter des vor dem SG geführten Ausgangsverfahrens) im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheiden vom 20. Oktober 2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum von November 2010 bis April 2011 in Höhe von monatlich je 849,27 EUR (November 2010 bis Januar 2011) bzw. 946,17 EUR (Februar bis April 2011) sowie für den Zeitraum von Mai bis Juli 2011 in Höhe von monatlich je 946,17 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 wurden für den Zeitraum von Januar bis Juli 2011 monatliche Leistungen in Höhe von 951,17 EUR bewilligt. Aufgrund eines nach der Trennung der Eheleute erfolgten Umzugs in eine kostengünstigere Unterkunft und des Bezugs von bisher nicht berücksichtigten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hob der Beklagte die Leistungsbewilligung - nach entsprechender Anhörung - mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2011 gegenüber den Klägern unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Juli 2011 teilweise auf und forderte insgesamt einen Betrag in Höhe von 3.264,17 EUR zurück (§ 50 SGB X). Hiergegen legten die Kläger am 13. Januar 2012 Widerspruch ein. Mit Korrekturbescheid vom 11. Mai 2012 forderte der Beklagte - nunmehr auf Grundlage der §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 50 SGB X - noch einen Betrag in Höhe von 1.690,67 EUR zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2012 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Am 8. Juni 2012 erhoben die Kläger, anwaltlich vertreten durch die Beschwerdegegnerin, Klage vor dem SG. Gleichzeitig beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Mit Schreiben vom 7. August 2012 gewährte das SG der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten. Nach einer Betreibensaufforderung trugen die Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Juli 2013 zur Begründung der Klage vor, der Bedarf der Kläger sei nicht zutreffend ermittelt worden. Der Ehemann der Klägerin zu 1) sei bereits im November 2010 ausgezogen. Außerdem sei ein von den Heizkosten vorgenommener Abzug für Warmwasserbereitung rechtswidrig gewesen. Auch eine Verrechnung von Nachzahlungs- mit Überzahlungsansprüchen sei unzulässig erfolgt. Veränderte Einkommensverhältnisse seien noch vor Erlass des Änderungsbescheides mitgeteilt worden. Dieser sei mithin von Beginn an rechtswidrig gewesen. Die Kläger hätten auf dessen Rechtmäßigkeit vertrauen können.
Am 19. November 2013 reichten die Kläger eine "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - Anlage zum Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe" nebst weiteren Anlagen beim SG ein.
Mit Beschluss vom 14. August 2014 bewilligte das SG den Klägern für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung ab dem 19. Nove...