Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisbarkeit eines Versicherten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bei beantragter Erwerbsminderungsrente - offener Arbeitsmarkt
Orientierungssatz
1. Kann der Versicherte bei beantragter Erwerbsminderungsrente nur noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten arbeitstäglich sechs Stunden verrichten, so ist von dem Bestehen eines offenen Arbeitsmarktes auszugehen (BSG Urteil vom 11. 12. 2019, B 13 R 7/18 R).
2. In einem solchen Fall ist der Rentenversicherungsträger zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes nicht verpflichtet.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.
Der am ... 1972 geborene Kläger absolvierte nach dem Zehnte-Klasse-Schulabschluss eine Ausbildung zum Bürokaufmann und war bis zum 30. Juni 2009 im erlernten Beruf versicherungspflichtig beschäftigt. Nach seinen Angaben kündigte er das Arbeitsverhältnis wegen Mobbings und nahm vom 1. Juli 2009 bis zum 31. März 2011 eine „Auszeit“. Seit dem 1. April 2011 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vom 4. Oktober bis zum 27. Dezember 2014 war er im Rahmen eines sogenannten Minijobs zehn Stunden wöchentlich in einem Privathaushalt beschäftigt.
Bei dem Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.
Am 15. Mai 2014 beantragte der Kläger die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Er halte sich seit 2009 für erwerbsgemindert. Infolge des Verlustes des rechten Auges nach einer Schussverletzung mit einer selbst gebauten Pistole im November 1988 trage er eine Augenprothese und leide unter häufigen Kopfschmerzen, ständigem Tränen der Prothese und zunehmenden Schwierigkeiten bei konzentriertem Sehen; er verfüge über kein räumliches Sehvermögen. Als Folge eines im Mai 1992 erlittenen Motorradunfalls könne er keine längeren Strecken unter Belastung laufen. Heben und Tragen schwerer Lasten sei ihm nur noch eingeschränkt möglich. Das Steigen auf Leitern sei wegen des fehlenden räumlichen Sehvermögens risikobehaftet. Bei genügendem Wechsel zwischen Belastung und Ruhepausen sowie häufigem Wechsel der Beinhaltung (teilweise Sitzen, Stehen, Gehen) sei es ihm möglich, Tätigkeiten auszuführen.
Die Beklagte holte einen Behandlungs- und Befundbericht von dem Augenarzt Dr. S. vom 21. Januar 2015 ein, der zum erhobenen augenärztlichen Befund angab, der Kläger trage eine gut sitzende Prothese rechts; die Augenbeweglichkeit sei intakt. Die auf dem linken Auge bestehende Sehminderung sei mit der derzeit richtig angepassten Brille ausgeglichen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. berichtete unter dem 22. Januar 2015 über die Folgen des 1992 erlittenen Motorradunfalls mit Zertrümmerung des rechten Unterschenkels und Sprunggelenks. Im August 2012 habe sich der Kläger mit Schmerzen und Schwellung sowie Gehbehinderung des linken Knies vorgestellt, woraufhin ein gutartiges Adenom festgestellt und entfernt worden sei.
Sodann ließ die Beklagte den Kläger von Dr. E. vom Institut für medizinische Begutachtung in H. begutachten. Dr. E. untersuchte den Kläger am 17. Juli 2015 ambulant und erstattete sein Gutachten unter dem 21. Juli 2015. Er stellte ein chronisches lumbales vertebragenes Schmerzsyndrom ohne neurologische Defizite und ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie eine leichtgradige Funktionseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks bei Zustand nach operativ behandelter Unterschenkelfraktur rechts fest. Die neurologische Untersuchung der unteren Extremitäten habe einen unauffälligen Befund ergeben. Im Bereich der unteren Extremitäten hätten sich - mit Ausnahme des rechten oberen Sprunggelenks - keine Funktionseinschränkungen gezeigt. Aus orthopädischer Sicht könne der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokaufmann sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung mit der Möglichkeit des Haltungswechsels ohne häufiges Bücken, Hocken und Knien sowie ohne das ständige Heben, Bewegen und Tragen mittelschwerer und schwerer Lasten sowie ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Sodann erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. S. nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 9. Juli 2015 unter dem 16. Juli 2015 ein Gutachten über den Kläger. Bei diesem liege keine psychiatrische oder neurologisch relevante Erkrankung vor. Die psychischen Belange seien im Sinne einer leichtgradigen depressiven Symptomatik ohne derzeitigen Behandlungsbedarf zu werten. Der Kläger lebe im Haus seiner Eltern. Seine sozialen Kontakte beschränkten sich auf die Eltern und seine in H. lebende Freundin. Zu den früher betriebenen Hobbys habe er derzeit keine ...