Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung. Einwand der Staatskasse. Vereitelung des Anspruchsübergangs. Kostenerstattungsanspruch des Leistungsempfängers nach § 193 SGG. Rechtsnatur. Freistellungsanspruch. Aufrechnung mit einer Erstattungsforderung durch den Grundsicherungsträger. fehlende Gleichartigkeit der Forderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Staatskasse kann gegen den Anspruch auf Festsetzung der PKH-Vergütung des Rechtsanwaltes einwenden, dass dieser zum Nachteil der Staatskasse gehandelt hat, wenn der Rechtsanwalt schuldhaft den Anspruchsübergang auf die Staatskasse nach § 59 RVG vereitelt hat.
2. Bei dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers aus § 193 SGG handelt es sich um einen Freistellungsanspruch, nicht um einen Zahlungsanspruch.
3. Mangels Gleichartigkeit der Forderungen kann der Grundsicherungsträger gegen den Kostenerstattungsanspruch des Leistungsempfängers nach § 193 SGG nicht mit eigenen Forderungen aus Erstattungsbescheiden aufrechnen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin werden der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 6. August 2014 sowie der im Erinnerungsverfahren ergangene Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 16. Dezember 2016 aufgehoben und die der Beschwerdeführerin als beigeordnete Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 285,60 EUR festgesetzt, wobei noch 164,22 EUR an sie auszuzahlen sind. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Das Beschwerdeverfahren betrifft Vergütungsansprüche der Beschwerdeführerin als beigeordnete Rechtsanwältin gegen die Staatskasse nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG).
Die Beschwerdeführerin war der Klägerin im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) vom Sozialgericht Halle (SG) im Verfahren S 9 AS 681/08 beigeordnet worden. Gegenstand dieses Verfahrens waren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit von Februar bis Dezember 2007.
Dem Klageverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Das beklagte Jobcenter (im Folgenden: Beklagter) gewährte der 1983 geborenen Klägerin und ihrer minderjährigen Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Bewilligungsbescheid vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. Dezember 2006 und 11. Mai 2007 für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 sowie mit Bewilligungsbescheid vom 11. Mai 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Juni 2007 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007.
Die Klägerin legte am 31. Mai 2007 Bescheinigungen ihres Lohnes in wechselnder Höhe für die Zeit ab Januar 2007 vor.
Mit Änderungsbescheid vom 12. September 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter sodann für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2007 Leistungen unter Anrechnung von Einkommen. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3. September 2007 forderte der Beklagte von der Klägerin und ihrer Tochter für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2007 Leistungen zurück. Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz Widerspruch mit der Begründung, das Einkommen sei unrichtig angerechnet worden.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 12. September 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrer minderjährigen Tochter für die Zeit vom 1. bis 31. Juli 2007 Leistungen unter Anrechnung von Einkommen. Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21. September 2007 Widerspruch mit der Begründung, das Einkommen sei unrichtig angerechnet worden.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26. September 2007 forderte der Beklagte von der Klägerin und ihrer Tochter für die Zeit vom 1. August bis 30. September 2007 Leistungen zurück. Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. November 2007 Widerspruch mit der Begründung, das Einkommen sei unrichtig angerechnet worden.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 29. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. Oktober 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrer minderjährigen Tochter für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2007 Leistungen unter Anrechnung von Einkommen. Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. November 2007 Widerspruch mit der Begründung, das Einkommen sei unrichtig angerechnet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2008 (AZ: W 7904/07) wies der Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 22. Februar 2008 Klage zum SG und begehrte weitere Absetzungen vom Einkommen oberhalb des Grundfreibetrages von 100 EUR.
Der Beklagte hat am 11. September 2009 mehrere Änderungsbescheide erlassen und sich gegenüber der Klägerin zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit erklärt. Die Klägerin hat das Klageverfahren daraufhin am 26. Oktober 2009 in der Hau...