Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Bürgergeld. Höhe des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1 im Jahr 2023. Bindung an Gesetz und Recht. Vorlage an das BVerfG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Fachgerichte dürfen wegen der Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) keinen höheren Regelbedarf bestimmen. Dies gilt auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
2. Die derzeitige Regelbedarfshöhe der Regelbedarfsstufe 1 ist nicht evident unzureichend. Eine Veranlassung zur Vorlage an das BVerfG besteht nicht.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen für den Regelbedarf im Zeitraum von November 2023 bis April 2024 streitig.
Der am .....1960 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer (nachfolgend: Antragsteller) bezieht eine Unfallrente. Aufstockend erhält er seit mehreren Jahren vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (nachfolgend: Antragsgegner) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Er bewohnt eine Wohnung zur Miete. Die Gesamtaufwendungen betrugen zuletzt 456,96 €/Monat. Der Antragsgegner berücksichtigt fortlaufend die tatsächlichen Kosten sowie einen Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung.
Zum 1. Mai 2023 beantragte der Antragsteller die Weitergewährung der Leistungen. Der Antragsgegner bewilligte ihm mit Bescheid vom 31. März 2023 für den Zeitraum vom 1. Mai 2023 bis 30. April 2024 unter Anrechnung der Unfallrente Bürgergeld i.H.v. 666,77 €/Monat, wogegen der Kläger am 13. April 2023 Widerspruch einlegte. Ihm stehe auch ein Mehrbedarf wegen Behinderung zu. Mit Änderungsbescheid vom 22. Mai 2023 bewilligte der Antragsgegner ab dem 1. Juli 2023 Leistungen i.H.v. 647,21 €/Monat. Hierbei berücksichtigte er die Erhöhung der Unfallrente auf 353,30 €/Monat, welche er nach Abzug der Versicherungspauschale (30 €) auf den Regelbedarf für Alleinstehende (502 €) anrechnete. Den Widerspruch wies der Antragsgegner als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2023). Der Antragsteller erhob am 19. Juli 2023 Klage (S 6 AS 604/23).
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2023 beantragte der Antragsteller die Erhöhung des Regelbedarfs zum 1. November 2023. Ein menschenwürdiges Existenzminimum sei mit dem heutigen Regelsatz nicht mehr gewährleistet. Die Anhebung zum 1. Januar 2024 um 61 € werde auch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband als zu niedrig betrachtet, welcher einen Regelsatz von 813 €/Monat fordere.
Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Oktober 2023 ab. Die i.S.v. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Überprüfung gestellten Bescheide vom 31. März und 22. Mai 2023 seien nicht zu beanstanden. Bei deren Erlass sei das Recht richtig angewandt sowie vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Mit seinem Widerspruch vom 26. Oktober 2023 monierte der Antragsteller die fehlende Begründung der Verwaltungsentscheidung i.S.v. § 35 SGB X.
Am 1. November 2023 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Ihm stehe ein höherer Regelsatz zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu. Durch die Inflation könne der Bedarf nicht mehr abgedeckt werden. Eine armutsbedingte Mangelernährung habe gesundheitliche Belastungen zur Folge.
Der Antragsgegner hat auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen. Der Regelbedarf werde zudem ab dem 1. Januar 2024 erneut steigen.
Mit Beschluss vom 20. November 2023 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Höhe des gewährten Regelbedarfs sei verfassungsgemäß. Dem pauschalen Vorbringen des Antragstellers sei schon nicht zu entnehmen, inwiefern allein durch die Inflation ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht mehr möglich sein solle. Zudem sei eine besondere Eilbedürftigkeit nicht erkennbar. Zum 1. Januar 2024 sei eine weitere Erhöhung des Regelbedarfs vorgesehen.
Gegen den ihm am 23. November 2023 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27. November 2023 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund lägen vor. Sein Existenzminimum sei nicht mehr garantiert. Die armutsbedingte Mangelernährung ergebe sich daraus, dass der Regelsatz lediglich 1,93 € pro Mahlzeit vorsehe.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. November 2023 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm ab dem 1. November 2023 einen Regelsatz für ein menschenwürdiges Existenzminimum im Sinne des Grundgesetzes zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die zeitnahe Reaktion des Gesetzgebers durch Erhöhung des Regelbedarfs von 449 € auf 502 € für das Jahr 2023. Diese Erhöhung gehe sogar prozentual über die Inflationsrate ...