Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Wechsel eines Kindes von dem Bezug von Leistungen nach dem SGB 2 in der Bedarfsgemeinschaft der Mutter zu dem Bezug von Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB 12 bei Aufnahme in den Haushalt der Großmutter. Antragstellung durch die Großmutter. fehlende Mitwirkung der sorgeberechtigten Kindesmutter
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Elternrechte der sorgeberechtigten Kindesmutter und des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Kindeswohls, das nach der Rechtsprechung des BVerfG eine eindeutige rechtliche Regelung verlangt, wer für das Kind rechtsverbindlich handeln kann, bedarf es der Mitwirkung der Kindesmutter für einen Wechsel von dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II in der Bedarfsgemeinschaft der Mutter zu dem Bezug von Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII bei der Aufnahme in den Haushalt der Großmutter, soweit nicht eine Unterbringung oder Pflege auf rechtlicher Grundlage angeordnet oder rechtsverbindlich vereinbart ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Juni 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht nach einem teilweisen Obsiegen in der ersten Instanz mit ihrer Berufung noch höhere Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) geltend.
Die Klägerin ist am ... 2017 geboren. Sie und ihr am ... 2011 geborener Bruder sind die leiblichen Kinder von T. K. (geboren am .... 1991) und D. M. (geboren am ... 1996). Die Eltern der Klägerin leben gemeinsam in einer Wohnung in L. Die Kindesmutter hatte nach ihrer Geburt das alleinige Sorgerecht für die Klägerin und war Adressatin der Bewilligung von Kindergeld mit Bescheid der Familienkasse vom 29. August 2017, zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides für die Klägerin als zweites Kind in Höhe von 192,00 € monatlich. Die am ... 1972 geborene R. M. , die Mutter des Kindesvaters (im Folgenden: Großmutter), stand im streitigen Zeitraum im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (damals: Grundsicherung für Arbeitsuchende [SGB II]) des Jobcenters Landkreis W..
Mit der vom Landkreis W./Referat Jugend und Schule als Träger der Kinder- und Jugendhilfe (im Folgenden: Jugendamt) aufgesetzten Vereinbarung vom 12. September 2017 „zur Sicherung der weiteren Betreuung und Entwicklung des Kindes“ vereinbarte die sorgeberechtigte Kindesmutter mit der Großmutter den Aufenthalt der Klägerin ab dem 12. September 2017 im Haushalt der Großmutter. Die Kindesmutter erteile in dieser Vereinbarung ihre Zustimmung zur Veranlassung einer ärztlichen Notversorgung der Klägerin, von notwendigen Impfungen und heilpädagogischen und therapeutischen Maßnahmen durch die Großmutter. Die Vereinbarung wurde bis zum 31. Dezember 2017 „bzw. bis die Kindesmutter geeigneten Wohnraum gefunden hat“ befristet. Im Übrigen ist ein von der Kindesmutter als Sorgeberechtigter, der Großmutter (dort: „weitere Beteiligte“) und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes unterzeichneter Schutzplan (ohne Datum, ggf. Anlage zu der vorgenannten Vereinbarung) im Sinne des§ 8a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII) vorgelegt worden. Darin ist das Verbleiben der Klägerin bei der Großmutter geregelt, soweit sich die Kindesmutter nicht an dort aufgeführte Auflagen zur Beschaffung einer größeren und sauberen Wohnung halte. Im Übrigen sollte (gemeint wohl: in diesem Fall) die Großmutter das Kindergeld für die Klägerin erhalten. Zu der Vereinbarung und dem Schutzplan wird im Übrigen auf Blatt 469 und 470 Bd. III der Gerichtsakte verwiesen. Die Vereinbarung soll nach den Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren verlängert worden sein, ohne dass dieses Dokument dem Senat vorgelegt worden ist. Dem Jobcenter Landkreis W. teilte die Großmutter mit Schreiben vom 20. November 2017 mit, die Klägerin schlafe nur in ihrem Haushalt, da die Kindesmutter keinen Platz in ihrer Zweiraumwohnung habe. Allein die Kindesmutter beziehe für die Klägerin Geld und ernähre diese auch selbst. Erst im Klageverfahren ist mit Schriftsatz vom 1. September 2021 entsprechend der richterlichen Aufforderung der Beschluss des Amtsgerichts W. vom 15. März 2019 von der Klägerin übersandt worden, mit dem für sie der Großmutter die Personen- und Vermögenssorge übertragen worden ist. Hierzu wird auf Blatt 385 bis 386 Bd. II der Gerichtsakte Bezug genommen. Ausweislich der Urkunde vom 20. Februar 2019 trägt die Klägerin nach Änderung des Geburtsregisters den Nachnamen der Großmutter.
Der Klägerin wurden mit dem auf Antrag der Großmutter an diese adressierten Bescheid vom 9. April 2018 vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für den Monat April 2018 in Höhe von 195,53 € und den Monat Mai 2018 in Höhe von 217,26 € bewilligt. Soweit sich an d...