Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Voraussetzungen der Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern für Verdienstausfall. gleitende Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Eine Entschädigung für Verdienstausfall nach § 18 JVEG ist nur zu leisten, wenn sich das Einkommen des ehrenamtlichen Richters durch die Heranziehung zu den gesetzlich bezeichneten Aufgaben mindert, weil ihm die Möglichkeit der Einkommenserzielung in dieser Zeit entgeht. Eine bleibende Einkommensminderung stellt sich ein, wenn ihm als Arbeitnehmer entweder die Vergütung wegen des Zeitausfalls gekürzt wird oder wenn bei leistungsabhängigem Entgelt in dieser Zeit keine Tätigkeit erbracht werden kann, die sein Einkommen üblicherweise mit einiger Wahrscheinlichkeit vermehrt hätte. Die Entschädigungsregelungen stellen keinen Schadensersatz dar. Daher sind Verdienstausfall und Zeitversäumnis nicht normativ, sondern tatsächlich zu bewerten (vgl LArbG Stuttgart vom 7.3.2005 - 3 Ta 31/05 = ArbuR 2006, 286).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 06. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Festsetzung einer höheren Entschädigung für ihre Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin.
Die Antragstellerin war bis zum 31. März 2013 bei der Sp. M. beschäftigt. Ihre Sollarbeitszeit betrug 40 Stunden in der Woche. Diese Sollarbeitszeit war innerhalb der täglichen Rahmenarbeitszeit von 7.00 bis 20.00 Uhr zu erbringen.
Am 21. Januar 2011 nahm die Antragstellerin als ehrenamtliche Richterin an der Sitzung der 10. Kammer des Sozialgerichts Halle teil. Die Anreise zur Sitzung trat sie um 7.30 Uhr an. Um 13.30 Uhr kehrte sie zurück. Mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Januar 2011 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass die Entschädigung auf 63,00 EUR festgesetzt werde. Neben der Fahrkostenentschädigung werde eine Entschädigung nach § 16 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für 6 Stunden zu je 5,00 EUR gewährt. Eine Entschädigung nach § 17 JVEG scheide aus, da diese nur für Personen bestimmt sei, die nicht erwerbstätig oder teilzeitbeschäftigt seien. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, die gerichtliche Festsetzung zu beantragen. Am 17. Februar 2011 beantragte sie die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung nach § 17 JVEG. Sie müsse sich für die Zeit der Abwesenheit bei der Ausübung ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Richterin "ausstechen". Insoweit sei sie gezwungen, diese Arbeitszeit einzuarbeiten. Sie fühle sich hierdurch benachteiligt. Die Bezirksrevisorin beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt teilte hierzu in ihrer Stellungnahme vom 17. März 2011 mit, dass eine Entschädigung nach § 17 JVEG nicht beansprucht werden könne. Die Antragstellerin sei in Vollzeit beschäftigt und außerhalb der Arbeitszeit als ehrenamtliche Richterin tätig geworden. Die Vorgaben des § 17 JVEG seien somit nicht einschlägig. Am 18. Mai 2011 nahm die Antragstellerin an einer weiteren Sitzung der 10. Kammer des Sozialgerichts Halle teil. Die Reise zur Sitzung wurde um 7.00 Uhr angetreten und um 14.00 Uhr beendet. Ihr wurde eine Entschädigung für Fahrtkosten in Höhe von 33,00 EUR und für die Entschädigung nach § 17 JVEG in Höhe von 35,00 EUR (7 Stunden zu 5,00 EUR) gewährt. Am 23. Mai 2011 beantragte die Antragstellerin auch für die Teilnahme am Termin am 18. Mai 2011 die gerichtliche Festsetzung.
Das Sozialgericht Halle (SG) hat mit Beschluss vom 06. Oktober 2011 entschieden, dass die Entschädigung der Antragstellerin für die Teilnahme an der Sitzung am 21. Januar 2011 auf 63,00 EUR und für die Teilnahme an der Sitzung am 18. Mai 2011 auf 68,00 EUR festgesetzt werde. Die Beschwerde werde zugelassen. Eine Entschädigung nach § 17 JVEG scheide aus. Bei der Antragstellerin sei zwar keine Vollzeittätigkeit gegeben, da eine 48-Stunden-Woche gesetzlich möglich sei. Sie sei aber zu einer Zeit zur Sitzung herangezogen worden, in der sie regelmäßig ihrer Erwerbstätigkeit nachgehe. Ausgehend vom gesetzgeberischen Leitbild, das durch eine Anerkennung und Entschädigung der Leistungen von Hausfrauen geprägt sei und damit Beschäftigte bewusst ausklammere, scheide ein Anspruch der Antragstellerin auch im Rahmen einer analogen Anwendung von § 17 JVEG aus.
Gegen den am 29. Oktober 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 19. Januar 2012 Beschwerde beim SG eingereicht. Das SG hat mit Beschluss vom 24. Januar 2012 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 06. Oktober 2011 abzuändern und für die Teilnahme an den Gerichtsterminen am 21. Januar 2011 und am 18. Mai 2011 eine höhere Entschädigung festzusetzen.
Die Bezirksrevisorin beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 19. Januar 2012 zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrage...