Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungskürzung im Rahmen eines Sanktionsbescheides. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Rechtsfolgenbelehrung
Orientierungssatz
1. Eine durch den Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Zusammenhang mit einer konkreten Aufforderung übersandte Rechtsfolgenbelehrung, die sich in der Wiedergabe des Gesetzestextes und der undifferenzierten Auflistung einer Vielzahl von Sanktionstatbeständen erschöpft, genügt nicht den Anforderungen an eine korrekte, verständliche, richtige und vollständige Belehrung und ist deshalb unwirksam und vermag somit einen Sanktionsbescheid nicht zu rechtfertigen. Das gilt auch dann, wenn der Adressat aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis auch ohne die Rechtsfolgenbelehrung das Unrecht einer Zuwiderhandlung gegen eine Aufforderung des Sozialleistungsträgers erkennen kann.
2. Eine Rechtsfolgenbelehrung ist auch dann unwirksam, wenn sie nicht deutlich zum Ausdruck bringt, dass im Falle eines erstmaligen Verstoßes gegen die Vereinbarungen in einer Eingliederungsvereinbarung eine Leistungskürzung bis auf 100 Prozent möglich ist, soweit bereits ein anderer Sanktionstatbestand vorher verwirklicht wurde.
3. Klagen gegen einen Sanktionsbescheid, mit dem die Leistung zur Grundsicherung herabgesetzt wird, haben keine aufschiebende Wirkung.
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragstellers werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. März 2010 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 21. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 (L 5 AS 144/10 B ER) und des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 (L 5 AS 146/10 B ER) angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung dem Antragsteller Leistungen für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 iHv 619,38 EUR/Monat sowie für die Monate Februar und März 2010 iHv 511,68 EUR/Monat nachzuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe (Widerspruch und Klage) gegen zwei Sanktionsbescheide der Antragsgegnerin bei der Leistungsgewährung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am ... 1976 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben "Diplom Jurist". Er steht bei der Antragsgegnerin im laufenden Leistungsbezug. Nach mehreren vollziehbaren Sanktionsbescheiden der Antragsgegnerin (Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieben erfolglos, Beschlüsse des Senats vom 31. August 2009, L 5 AS 287/09 B ER und 16. November 2009, L 5 AS 365/09 B ER) besteht eine vollziehbare Leistungskürzung um 100 % im Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2009.
Unter dem 24. Juni 2009 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Vermittlungsvorschlag für eine Arbeitsgelegenheit bei der T. -Schulung und Schweißtechnische Bildung gGmbH, Betriebsstätte M ... Es ging um eine Tätigkeit als Bürokraft/kaufmännische Fachkraft im Projekt "Erweiterung der Steinzeitanlage" in M./R ... Im Schreiben lautet es weiter: "Stellen Sie sich bitte am 8.07.2009 um 8:00 Uhr beim o.g. Arbeitgeber vor." Weiterhin enthielt es folgende - zwischen den Beteiligten dem Wortlaut nach unstreitige - Rechtsfolgenbelehrung (RFB):
"Sie können nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zwar eine Förderung beanspruchen, daneben sind Sie aber in erster Linie selbst gefordert, konkrete Schritte zu unternehmen, Sie sind verpflichtet, sich selbständig zu bemühen, Ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die dieses Ziel unterstützen.
Das Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. Die Leistung kann danach - auch mehrfach nacheinander oder überschneidend - gekürzt werden oder ganz entfallen.
Grundpflichten 1. Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit Beschäftigungszuschuss geförderte Arbeit, ein zumutbares Sofortangebot oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen oder Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.
2. Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 SGB II (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den Zeitraum der Minderung. 3. Bei der ersten wiederholten Verletzung der Grundpflichten wird das Arbeitslosengeld II um ...