Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. stationäre Rehabilitation zwecks Stabilisierung und Beübung der Herz-Kreislauffunktion nach erlittenem Herzinfarkt. demenzbedingte Pflegebedürftigkeit steht Rehabilitationsbedürftigkeit nicht entgegen. sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. ("echte") Vorwegnahme der Hauptsache. Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar. Garantie des effektiven Rechtsschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Demenzbedingte Pflegebedürftigkeit steht einer zwecks Stabilisierung und Beübung der Herz-Kreislauffunktion nach erlittenem Herzinfarkt begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme nicht von vornherein entgegen.
2. Ein bei Sachleistungen grundsätzlich zu erwägendes Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache greift im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes jedenfalls dann nicht, wenn dem Betroffenen ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist. Eine "echte" Vorwegnahme der Hauptsache liegt überdies dann nicht vor, wenn eine Erstattung der erbrachten Leistung in Geld in Betracht kommt.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Dezember 2018 vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin in Begleitung ihres Ehemanns H. M. eine stationäre Rehabilitationsleistung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu verpflichten ist, der Antragstellerin eine stationäre Rehabilitationsleistung in Begleitung ihres Ehemanns zu gewähren.
Die 1951 geborene und bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin befand sich wegen eines Myokardinfarkts vom 14. bis 17. August 2018 (Freitag) stationär im A.-Klinikum A ... Laut Entlassungsbericht vom 17. August 2018 sei die Behandlung auch aufgrund einer bekannten schweren Demenz erschwert gewesen, so dass man sich in Absprache mit dem Ehemann bei kreislaufstabiler und nach dem Eingriff symptomfreier Situation zu einer schnellen Entlassung entschieden habe. Die - über das Klinikum am 17. August 2018 zwecks Stabilisierung und Beübung der Herz-/Kreislauffunktion - beantragte stationäre medizinische Rehabilitation in Form einer Anschlussheilbehandlung sei in Begleitung des Ehemanns als Bezugsperson für die ansonsten mobile und noch junge Antragstellerin prognostisch sicher als sehr günstig anzusehen.
In seiner Stellungnahme vom 21. August 2018 schätzte der von der Antragsgegnerin eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, angesichts der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin bestehe kein Rehabilitationspotential mehr. Wegen ihrer fortgeschrittenen Demenz sei die Antragstellerin laut einem Pflegegutachten nicht in der Lage, aktiv an Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen.
Mit Bescheid vom 22. August 2018 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin den Antrag ab, da die bei der Antragstellerin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einen Pflegegrad 3 bedingten, durch die begehrte Leistung nicht gebessert oder beseitigt würden.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 4. September 2018 Widerspruch. Jeder Herzinfarktbetroffene habe Anspruch auf eine Anschlussrehabilitation; ein Zustand nach akutem Herzinfarkt gehöre zur Gruppe 1 des AHB-Indikationskatalogs (der Deutschen Rentenversicherung Bund). Als Kontraindikation gelte nur eine schwere kardiale Dekompensation. Rehabilitationsziel einer Anschlussheilbehandlung sei das Erreichen eines Zustandes, der den Betroffenen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aktiviere. Hierbei gelte es, verlorengegangene Funktionen wiederzuerlangen oder bestmöglich zu kompensieren.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. September 2018 verwies der MDK darauf, dass bei der Antragstellerin laut Entlassungsbericht vom 17. August 2018 eine schwere Demenz bestehe. Die Behandlung unter stationären Bedingungen sei erschwert gewesen, so dass die Antragstellerin nach drei Tagen vorzeitig in die Häuslichkeit entlassen worden sei. Danach sei keine Rehabilitationsfähigkeit gegeben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2018 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 24. Oktober 2018 hat die Antragstellerin vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben (S 17 KR 818/18) und am 5. November 2018 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Im Rehabilitationsbereich gelte kein strikter Vorrang ambulanter Leistungen. Zudem existierten in ihrem Wohnbereich keine ambulanten Rehabilitationsmöglichkeiten. Sie sei auch rehabilitationsfähig. An Demenz erkrankten Versicherten seien ebenfalls stationäre Rehabilitationsmaßnahmen zu bewilligen. Ausweislich der Einschätzung der behandelnden Ärzte könne der Erkrankungsverlauf durch eine stationäre Rehabilitation positiv beeinflusst werden.
Mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 hat das SG den Antrag mangels Anordnungsanspruchs abgelehnt und hierzu ausgeführt...