Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit. Beschwerde gegen ablehnenden Beschluss über die Ablehnung von Gerichtspersonen
Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, durch den das Ablehnungsgesuch gegen einen Richter für unbegründet erklärt wird, ist nach § 172 SGG unzulässig. § 172 SGG ist die speziellere Norm gegenüber der allgemeinen Verweisung des § 60 SGG auf § 46 ZPO.
Tenor
Die Beschwerden werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit seinen Beschwerden zum einen gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Februar 2012 (S 11 SF 2/12 AB), das sein Gesuch auf Ablehnung des Richters am Sozialgericht T. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Zum anderen wendet er sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts vom 3. April 2012 (S 11 SF 12/12 RG), in dem es die gegen den vorgenannten Beschluss erhobene Anhörungsrüge als unzulässig verworfen hat. Das Sozialgericht hat jeweils auf die Unanfechtbarkeit seiner Beschlüsse hingewiesen.
Gegen den ihm am 2. März 2012 zugestellten Beschluss im Verfahren S 11 SF 2/12 AB hat der Kläger am 19. März 2012 und gegen den ihm am 7. April 2012 im Verfahren S 11 SF 12/12 RG zugestellten Beschluss hat er am 23. April 2012 unter anderem Beschwerde eingelegt. Insbesondere die Beschwerde im Verfahren S 11 SF 2/12 AB sei durch die Bezugnahme des § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf § 46 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht unzulässig.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 23. April 2012 hat der Vorsitzende des Senats dem Kläger mitgeteilt, dass er diese Rechtsansicht nicht teile. Mit Schreiben vom 7. Mai 2012 ist der Hinweis erfolgt, dass auch die Beschwerde gegen die Verwerfung der Anhörungsrüge unzulässig ist.
Der Beklagte hat Gelegenheit erhalten, zu den Beschwerden Stellung zu nehmen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden sind unzulässig.
Die Unzulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschluss im Verfahren S 11 SF 2/12 AB ergibt sich aus § 172 Abs. 2 SGG. Danach können unter anderem Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Unter den Begriff der "Gerichtspersonen" fallen, da der Gesetzgeber die Vorschrift an § 146 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen angelehnt wissen wollte (vgl. BT-Drs 16/7716, S. 22), Richter, ehrenamtliche Richter und Urkundsbeamte (§ 54 VwGO).
Dem steht nicht entgegen, dass § 60 Abs. 1 SGG die entsprechende Anwendung der §§ 41 bis 49 Zivilprozessordnung (ZPO) regelt. Nach § 46 Abs. 2 ZPO findet gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für begründet erklärt wird, kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt. Insofern enthält die Sozialgerichtsordnung eine gegenüber der allgemeinen Verweisung des § 60 SGG speziellere und damit durchgreifende Norm. § 172 SGG ist in dem klar zum Ausdruck kommenden Regel-Ausnahme-Verhältnis eindeutig (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 12. Juli 2004, 3 C 04.1754 zu den gleichlautenden Regelungen der §§ 54 Abs. 1, 146 VwGO; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. Januar 2011, L 4 KR 324/10 B, Rn. 11 zur Ablehnung eines Sachverständigen).
Der Umstand, dass die entsprechende Anwendung des § 46 ZPO durch die Neuregelung mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in § 60 SGG aufgenommen wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs 17/6764, S. 27) durch Bezugnahme auf § 46 ZPO den bisherigen Satz 2 des § 60 Abs. 1 SGG ("Über die Ablehnung entscheidet außer im Falle des § 171 das Landessozialgericht durch Beschluss") ersetzen. In der Gesetzesbegründung heißt es wörtlich weiter: "§ 172 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geht als speziellere Norm dem § 46 Abs. 2 ZPO vor, so dass weiterhin Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können."
Der Beschwerdeausschluss begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Weder Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) noch Art. 20 Abs. 3 GG oder Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG fordern zwingend für jede gerichtliche Entscheidung einen Instanzenzug (vergleiche nur Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 28. September 2009,1 BvR 1943/09, Rn. 3). Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch nach der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Regelung eine Beschwerde gegen Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht zulässig war (§ 177 SGG).
Die Unzulässigkeit der Beschwerde im Verfahren S 11 SF 12/12 RG ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 178 Abs. 4 Satz 3 SGG.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfec...