Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Teilnahme an den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften im Schach
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 28 Abs 7 S 2 SGB II in der bis zum 31.7.2019 gültigen Fassung können Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für Aufwendungen erbracht werden, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nr 1-3 entstehen. Ein solcher Zusammenhang besteht nur bei Aufwendungen, die bei wertender Betrachtung der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zuzuordnen sind.
2. Ein solcher innerer Zusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn Kosten im Rahmen einer als Leistungssport ausgeübten sportlichen Betätigung anfallen. Deshalb kann zB die Berücksichtigung von Übernachtungskosten bei der Teilnahme an Jugendmeisterschaften auf Bundesebene ausscheiden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der vom Landesschachverband Schach e.V. vorfinanzierten nicht gedeckten Kosten für die Teilnahme an den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften im Schach im Mai 2016 in Höhe von 382 € von dem Beklagten.
Die (minderjährige) Klägerin lebt bei ihrem Vater S. und bezog in einer Bedarfsgemeinschaft mit diesem laufend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Über das Vermögen des Vaters der Klägerin ist mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 - 59 IK 915/14 durch das Amtsgericht Halle (Saale) das Privatinsolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 19. Januar 2016 Leistungen für Februar bis Juli 2016 in Höhe von 941,32 € monatlich, wobei als Einkommen nur das Kindergeld für die Klägerin in Höhe von 190 € berücksichtigt wurde. Ihr Vater ist seit dem 16. September 2020 allein sorgeberechtigt für die Klägerin (Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 16. September 2020 - 22 F 1892/19 SO), zuvor übte er das Sorgerecht gemeinsam mit ihrer Mutter aus. Die Klägerin war Mitglied im Sportverein H. e. V. in der Sektion Schach (im Folgenden: Sportverein). Ab 2014 setzte sie die ihr bewilligten Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in Höhe von 10,00 € monatlich für den Mitgliedsbeitrag im Sportverein ein. Mit Bescheid vom 11. Februar 2016 bewilligte ihr der Beklagte auf ihren Antrag Leistungen für die Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in Höhe von monatlich 10,00 € für den Zeitraum 1. Februar bis zum 31. Juli 2016. Den hierfür ausgestellten Gutschein löste sie ausweislich der Bestätigung des Sportverein vom 18. März 2016 für den Mitgliedsbeitrag im Sportverein ein.
Am 7. April 2016 stellte ihr Vater für die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Teilnahme an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft im Schach in W. „Meine Tochter betreibt Schach als Leistungssport im Landesschachkader und ist amtierende Landesmeisterin ("Altersklasse") und hat sich deswegen für die Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft qualifiziert.“ Die Kosten für die Unterkunft im Hotel in W. würden sich voraussichtlich auf ca. 650 € (Zweibettzimmer) belaufen. Nach der beigefügten Einladung der Deutschen Schachjugend von März 2016 werde die Meisterschaft vom 14. Mai bis zum 22. Mai 2015 (Druckfehler, gemeint: 2016) ausgetragen, bei Unterbringung in einem Doppelzimmer seien pro Person und Tag 79 € und im Fünferzimmer 42,50 € zu entrichten. Die Unterkunft habe in der Regel in dem betreffenden Hotel zu erfolgen und Selbstbuchungen außerhalb des Objektes seien nur mit Ausnahmegenehmigung aufgrund sozialer, finanzieller und regionaler Aspekte möglich. Dann fiele ein Organisationsbeitrag in Höhe von insgesamt 55 € pro Spieler an.
Mit Bescheid vom 12. April 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Der Betrag von 10,00 € pro Monat sei bereits vollständig ausgeschöpft. Darüber hinaus entstehende Aufwendungen könnten nicht übernommen werden. Hiergegen legte die Klägerin, anwaltlich vertreten, Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Gewährung von Leistungen über die 10,00 € pro Monat hinaus komme mangels rechtlicher Grundlage nicht in Betracht. Schon von daher scheide eine Kostenübernahme aus.
Daneben beantragte der Vater der Klägerin für diese erfolglos (Bescheid vom 27. Mai 2016, Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2016) eine monatliche Leistungssportbezuschussung in Höhe von 60 €. Die Klägerin habe als Mitglied des Kaders des Landes S. jährlich verbindlich mindestens zwei Trainingslager in O. zu absolvieren und eine gewisse Anzahl an Turnieren zu spielen. Das auf Übernahme dieser Kosten gerichtete Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Halle ruht derzeit. Ebenso ruhen dort noch weitere Verfahren der Klägerin auf die Übernahme der Kos...