Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. abschnittsweise Zahlung von Krankengeld. Einstellung wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten. Versagung einer weiteren Leistungsgewährung. keine Entscheidung über Bestehen oder Nichtbestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs. sozialgerichtliches Verfahren. statthaftes Rechtsmittel gegen Versagung oder Entziehung einer Leistung. Ermessensausübung des Leistungsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Mit der abschnittsweisen Zahlung von Krankengeld wird im Zweifel keine Leistung über den Zahlungszeitraum hinaus bewilligt.
2. Stellt die Krankenkasse die weitere Krankengeldleistung über bereits erbrachte Leistungen hinaus ein, weil der Versicherte Mitwirkungspflichten iS von § 66 SGB 1 verletzt habe, handelt es sich um die Versagung einer (weiteren) Leistungsgewährung, nicht um die Entziehung einer (bereits bewilligten) Leistung. Holt der Versicherte seine Mitwirkungshandlung nach, hat die Krankenkasse demgemäß erstmals über die Krankengeldgewährung in dem betroffenen Zeitraum zu entscheiden. Das Gleiche gilt, wenn sich die Versagung im Anfechtungsrechtsstreit als rechtswidrig erweist.
3. Versagt ein Bescheid gem § 66 Abs 1 SGB 1 die beantragte Weitergewährung von Krankengeld, enthält er keine Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des materiell-rechtlichen Anspruchs. Seine begrenzte Wirkung erschöpft sich darin, bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung die Leistung vorläufig nicht zu gewähren und bezüglich des Leistungsantrages nichts weiteres zu veranlassen, insbesondere nicht weiter zu ermitteln. Dies muss im Verfügungssatz des Bescheides zum Ausdruck kommen (Anschluss an LSG Baden-Württemberg vom 16.5.1990 - L 1 J 1789/89 - und Bayerisches LSG vom 14.5.2009 - L 14 R 172/08, beide Juris).
Orientierungssatz
1. Statthaftes Rechtsmittel gegen die Versagung oder Entziehung einer Leistung gemäß § 66 SGB 1 ist die Anfechtungsklage (vgl BSG vom 25.10.1988 - 7 RAr 70/87 = SozR 1200 § 66 Nr 13).
2. Die Entscheidung nach § 66 SGB 1 erfordert eine Ermessensausübung des Leistungsträgers (vgl zB BSG vom 22.2.1995 - 4 RA 44/94 = BSGE 76, 16 = SozR 3-1200 § 66 Nr 3 stRspr).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 30. November 2006 - S 4 KR 172/05 - sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2005 aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Einstellung der Zahlung von Krankengeld (Krg) wegen fehlender Mitwirkung.
Der 1956 geborene und bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin seit 2003 krankenversicherte Kläger ist gelernter Maurer und war zuletzt vom 26. Juli 2004 bis 29. Oktober 2004 befristet als Maurer beschäftigt. Nach einem Attest der Allgemeinmedizinerin Dr. M. war er wegen Arthrose an der linken Handwurzel und Schulterbeschwerden ab dem 28. Oktober 2004 arbeitsunfähig. In der Folgezeit stellte Dr. M. eine Vielzahl von Folgebescheinigungen aus (vgl. Aufstellung der Beklagten Bl 168 dA) und empfahl die Durchführung von Reha-Maßnahmen. Die Beklagte leistete Krg ab dem 30. Oktober 2004 jeweils für Zeiträume von etwa zwei bis vier Wochen im Nachhinein (vgl. “Gesamtauskunft AU-Fall„, Bl 61 - 62 VA).
Am 1. Februar 2005 beantragte der Kläger eine Rente wegen teilweiser Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit. Ein im Auftrag der Rentenversicherung erstelltes Gutachten vom 11. Mai 2005 (Orthopäde Dr. W. ) gelangte aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 28. April 2005 zu der Feststellung, dass der Kläger (ua wegen Arthrose an der linken Mittelhand - Carpo-Metacarpalarthrose) in seinem Beruf als Maurer dauerhaft nicht mehr arbeiten könne (vgl. S. 8 des beigezogenen Gutachtens, Bl 225 dA). Mit Urteil vom 17. Januar 2007 - S 4 R 60/06 sprach das Sozialgericht Dessau dem Kläger die beantragte Rente mit Wirkung ab dem 1. Februar 2005 rechtskräftig zu.
Die Beklagte bestellte den Kläger im Frühjahr 2005 mehrfach vergeblich “zur Begutachtung seiner Arbeitsunfähigkeit„ zu einer körperlichen Untersuchung beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen des Landes Sachsen-Anhalt (MDK), so am 8. Februar 2005 (versehentlich “08.02.04„ datiert) nach W. (ca. 25 km vom Wohnort des Klägers entfernt), am 4. und 19. Mai und am 3. Juni 2005 jeweils nach D. (55 km entfernt). Zur Begründung wies sie außerdem darauf hin, dass die Einleitung von Maßnahmen zur Sicherung des Heilerfolges oder zur Rehabilitation zu prüfen seien. Die Untersuchung hatte der MDK in einer “aktenmäßigen Vorberatung„ der Beklagten als notwendig bezeichnet (vgl. Bl 34-37 VA).
Der Kläger kam den Aufforderungen zur Untersuchung nicht nach. Vor dem Termin am 8. Februar 2005 teilte er mit, dass er die Ladung erst am Vortage erhalten habe und ihm keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stünden. Weiterhin fragte er nach Erstattung der Fahrkosten. Außerdem wies er jeweils vor den Terminen die Bekl...