Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Verzinsung. Widerspruch gegen Beitragsbescheid. vollständiger Erstattungsantrag iS von § 27 Abs 1 S 1 Alt 1 SGB 4

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid ist zugleich ein Erstattungsantrag enthalten (BSG vom 16.4.1985 - 12 RK 19/83 = SozR 2100 § 27 Nr 3).

2. Dieser ist im Allgemeinen auch vollständig iSv § 27 SGB IV, ohne dass dies durch weitere Ermittlungen im Erstattungsverfahren in Frage gestellt wird (vgl BSG vom 16.4.1985 - 12 RK 19/83 aaO; aA LSG Chemnitz vom 6.5.2014 - L 1 KR 126/13 NZB = juris RdNr 37). Entscheidend ist, dass eine erstattungspflichtige Behörde zuvor eine vollständige Entscheidungsgrundlage für die Beitragserhebung gesehen hat, die als rechtswidrig rückabgewickelt werden soll.

3. Daher ist ein Anspruch auf Beitragserstattung nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Widerspruchs zu verzinsen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.06.2017; Aktenzeichen B 12 KR 120/16 B)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. November 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2012 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 60,61 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Zinszahlung aus einer Beitragserstattung.

Mit einem am 16. Juli 2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben teilte die private Versicherungsgesellschaft V. mit, dass der Kläger am 1. August 2008 eine Versicherungsleistung i. H. v. 27.916,60 EUR erhalten habe. Es handele sich um Leistungen aus seiner Direktversicherung bzw. einer ehemaligen Direktversicherung, aus der eine einmalige Kapitalzahlung als Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erfolgte.

Mit zwei Bescheiden vom 9. September 2008 setzte die Beklagte zusätzliche Beiträge aus dem Versorgungsbezug für die Kranken- und Pflegeversicherung fest. Hiergegen legte der Kläger am 12. September 2008 Widerspruch ein und führte aus, er habe die Beitragszahlung zu rund 80 % privat mit eigenen Beiträgen bestritten. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage und wies schließlich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2010 (1 BVR 1660/08) hin. Weiterhin legte er ein Schreiben der V. vom 6. Januar 1997 vor, nach dem er selbst seit dem 1. Januar 1997 alle Rechte aus der Versicherung übernommen habe (Eingang bei Gericht am 23. November 2010). Unter dem 10. April 2011 (Eingang bei der Beklagten am 13. April 2011) bescheinigten die G.-Versicherungen (Rechtsnachfolger der V.) dass der Kläger privat 17.766,98 EUR in die Versicherung eingezahlt habe und sein Arbeitgeber 3.706,78 EUR. Weitere Angaben zur Aufteilung der ausgezahlten Versicherungsleistung könne man noch nicht machen. Am 19. Mai 2011 konkretisierte die Versicherung ihre bisherige Meldung, dass beitragspflichtige Versorgungsleistung lediglich ein Betrag von 4.818,94 EUR sei.

Mit Bescheiden vom 18. Juni 2011 korrigierte die Beklagte die bisherige Beitragsfestsetzung und stellte für die Krankenversicherung eine Überzahlung von 949,20 EUR und von weiteren 124,08 EUR in der Pflegeversicherung fest. Zinsen setzten sie jeweils nicht fest. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 erläuterte sie, dass ein vollständiger Erstattungsantrag erst nach Vorliegen der am 19. Mai 2011 ausgestellten qualifizierten Bescheinigung vorgelegen habe. Daraufhin habe man über die Rückforderung mit Bescheid vom 6. Juli 2011 entschieden und die Beiträge am 13. Juli 2011 erstattet. Eine Verzinsung käme erst ab 1. Juli 2011 in Betracht. Da der zu verzinsende Zeitraum aber mit dem Ablauf des letzten Kalendermonats vor der Zahlung des Erstattungsbetrages durch den Versicherungsträger ende, ergebe sich vorliegend kein Verzinsungszeitraum. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2012 zurück und vertiefte die bisherige Begründung.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Juli 2012 Klage erhoben und ausgeführt, in dem Widerspruch gegen den Beitragsbescheid sei bereits der Erstattungsantrag selbst zu sehen. Auf eine Mitwirkung eines Dritten (hier der Lebensversicherung) komme es nicht an. Es sei auch unerheblich, aus welchen Gründen Beiträge nicht richtig berechnet worden seien. Der Kläger hat eine Berechnung vorgelegt, mit der er die aufgelaufenen Zinsansprüche rechnerisch nach den einzelnen Monaten aufgeschlüsselt und mit 60, 61 EUR beziffert hat (Bl. 32 Gerichtsakte).

Mit Urteil vom 13. November 2015 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an einem vollständigen Erstattungsantrag, wie die Beklagte zutreffend dargelegt habe. Es hat im Tenor seiner Entscheidung die Berufung zugelassen.

Gegen die ihm am 24. November 2015 zugestellt...

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